Das Laecheln der Chimaere
»Beantworte mir eine Frage: Ist in dieser Datenbank, die du mir letztes Mal vorgeführt hast, in Bezug auf Saljutows Kasino noch so ein Typ von der Sorte Gasarows registriert?«
In normale menschliche Sprache übersetzt bedeutete das: Hat das RBOV für seine Zwecke im Kasino noch jemand anderen angeworben?
»Wer konkret interessiert dich?«, fragte Obuchow.
»Mich interessiert ein gewisser Legionär.«
»Nein, der ist mir unbekannt. Bei uns ist er nicht registriert. Wer ist das denn?«
»Ein Freund von Philipp Saljutow.«
»Ach, so ein Milchbubi?«, brummte Obuchow enttäuscht.
»Nein, er ist schon an die dreißig. Soll sogar in Tschetschenien gewesen sein.«
»Nein, über den haben wir nichts. Wie ist denn sein Familienname?«
»Haben wir noch nicht festgestellt. Na gut, habt ihr denn vielleicht etwas über Kitajew und eine gewisse Shanna Basmanjuk?«
»Das sind Mitarbeiter von Saljutow«, erwiderte Obuchow sofort. »Sie haben zusammen mit ihm angefangen. Kampfgefährten gewissermaßen, Mitglieder seiner Mannschaft. Strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Kitajew ist Saljutow bedingungslos ergeben, er gehört fast zur Familie – kaum vorstellbar, dass er gegen ihn arbeiten könnte. Obwohl . . . kommt drauf an, für wen und wie viel gezahlt wird. Wem kann man heute noch trauen? Was diese Basmanjuk angeht, habt ihr über die denn irgendwelche Erkenntnisse oder Fakten?«
»Nein, nein, außer verworrenen Zeugenaussagen nichts. Wir überprüfen sie gerade.«
Wenn man jemanden nach dem Legionär fragen könnte, überlegte Kolossow, nachdem er sich von Obuchow verabschiedet hatte, dann ja wohl zuerst seinen Freund Philipp und diese Tussi aus dem Kasino. Beide werden natürlich nicht die Wahrheit über ihn sagen, denn der eine ist sein Freund und die andere seine Geliebte, wenn es stimmt, was Gasarow behauptet. Es ist aber irgendwie angenehmer, sich mit einer Dame zu unterhalten. Außerdem muss Madame Basmanjuk mir sowieso noch einige andere Fragen beantworten.
Er kehrte zu seiner Liste zurück und suchte Shannas Adresse und Telefonnummer heraus. Soll ich ihr eine Vorladung schicken oder sie anrufen? Oder soll ich ihr vielleicht heute Abend einen unerwarteten Besuch abstatten? Der Überraschungsfaktor kann bei solchen Gesprächen sehr nützlich sein.
»Nikita, hallo, träumst du? Ich wollte mir das versprochene Material abholen.«
Kolossow zuckte zusammen und schaute von seinen Papieren hoch. Katja. Frisch, vergnügt, herzlich. Sie war so leise ins Büro gekommen, dass er sie gar nicht gehört hatte. Tja, da hatte er ja seinen Überraschungsfaktor im Umgang mit Frauen . . .
»Die Informationen über Marina Saljutowa meine ich«, erklärte Katja. »Wie wir es gestern verabredet hatten. Hast du’s etwa vergessen?«
»Nein, ich habe alles herausgesucht.« Er stand auf und reichte ihr eine Mappe. »Guck’s dir an, dann wirst du selbst begreifen, dass man an die Witwe viel schwieriger herankommen wird als an diese Taurage.«
»Na, dann tschüs, träum weiter. Ich erwarte deinen Anruf.«
Und fort war sie. Kolossow setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Im Büro hing noch der Duft ihres Parfums. Frauen . . .
Entschlossen griff er zum Telefon. Ja, so musste man Vorgehen. Er wählte die Dienstnummer von Shanna Basmanjuk. Zwar war das Kasino geschlossen, aber die Dame musste ja an ihrem Arbeitsplatz sein. Saljutow zahlte seine hohen Gehälter wohl kaum fürs Nichtstun.
»Hallo, ich höre.«
»Shanna Markowna?«, fragte er mit strenger, grabestiefer Stimme.
› Ja, ich bin es. Wer spricht?«
»Kolossow, Major der Miliz, Mordkommission. Wir haben im Zusammenhang mit den beiden Mordfällen im Kasino einige Fragen an Sie. Kommen Sie bitte ins Präsidium.«
»Jetzt sofort?«
Ihre Stimme klang verändert, gleichsam geschrumpft, als sei sie plötzlich an Angina erkrankt.
»Morgen um zehn. Bringen Sie Ihren Pass mit, ich stelle Ihnen einen Passierschein aus.«
Er legte auf und wählte sofort eine weitere Nummer – die der technischen Abteilung. Schon seit mehreren Tagen wurden die Telefone des Kasinos abgehört. Aber jetzt konnte es nicht schaden, auch die Privatnummern der Bürgerin Basmanjuk »anzuzapfen« – ihr Telefon zu Hause und ihr Handy. Wem würde diese Shanna Markowna wohl heute Abend noch erzählen, dass sie so unerwartet und energisch zur Miliz bestellt worden war?
23
Die Observierungsberichte, die Kolossow Katja so großzügig überlassen hatte, strotzten nur so von
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