Das Laecheln der Chimaere
erzählte sie Krawtschenko alles, was sie im »Planet Atlantis« erlebt hatte. Er hatte den ganzen Tag geschlafen und war nun munter und frisch und freute sich schon darauf, im Fernsehen Hockey zu gucken. Aus diesem Grund hörte er Katja nur mit halbem Ohr zu.
»Na, und was hältst du von all dem?«, fragte sie.
»Was? Wovon?« Krawtschenko drückte auf den Knöpfen der Fernbedienung herum.
»Von Saljutow und der Witwe seines Sohnes!«
»Vielleicht hat diese Hübsche nicht alle Tassen im Schrank?«, brummte Krawtschenko.
Katja wartete, was noch kommen würde.
»Ihr Frauen seid sowieso schwer zu begreifen«, sagte er. »Immer müsst ihr lügen. Ihr merkt es selber schon gar nicht mehr.«
»Wann habe ich dich schon mal angelogen?«, fuhr Katja entrüstet hoch und vergaß auf der Stelle das wichtige Thema, das sie mit ihrem Gatten besprechen wollte.
»O Gott, bloß das nicht wieder«, stöhnte Krawtschenko. »Wenn du wirklich meine Meinung wissen willst – ich finde, du solltest dich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen. In diesem › Mohn ‹ sind schon drei Menschen umgebracht worden. Das dritte Opfer hat man aus einem fahrenden Auto erschossen. Keine üble Handschrift, wie? Das allein zeigt schon, mit wem man es hier zu tun hat. Aber du erzählst mir irgendein Gewäsch über eine übergeschnappte Tussi, die ihren toten Mann für lebendig hält und . . .«
»Marina Saljutowa hält ihren Mann nicht für lebendig! Als sie mir von ihrem Ehemann erzählte, dachte sie dabei nicht an Igor Saljutow, davon bin ich überzeugt!«
»An wen denn sonst?«, fragte Krawtschenko. »Ehrlich, Katja, halt dich da raus. Mord im Spielkasino, das ist kein Thema für eine Frau. Also, wenn ich noch mal was vom Kasino höre, werde ich zum wilden Stier. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Katja seufzte. Genauso gut hätte sie mit einem Tauben reden können. Taub, stumm, blind, und geistig zurückgeblieben!
Ohne ein weiteres Wort reichte sie Krawtschenko beleidigt die Klubkarte des »Planet Atlantis«.
»So ist es viel besser. Frag mich nur immer um Rat«, sagte er und widmete sich voll und ganz seinem geliebten Hockeyspiel.
Als Katja am nächsten Morgen ins Büro kam, lief sie zuerst hinunter zur Kripo, um die Neuigkeiten zu erfahren. In Kolossows Büro wurde laut gestritten. Katja drückte die Türklinke hinunter – abgeschlossen! Offenbar wurde in der Mordkommission gerade die traurige Bilanz des gestrigen Tages gezogen, wobei auch stärkere Ausdrücke fielen, und aus Scham hatte man sich eingesperrt, um die schmutzige Wäsche nicht vor aller Augen und Ohren zu waschen.
Katja beschloss zu warten. Sie musste Kolossow heute unbedingt sprechen, koste es, was es wolle. Sie schlenderte den engen, gewundenen Korridor hinunter zum Wartezimmer, wo ein Sofa und Stühle standen.
Auf dem Sofa saß ein attraktiver, südländisch aussehender junger Mann mit tragischem Gesichtsausdruck. Derart tragisch, dass man eigentlich gar nicht mehr nach seinem Namen zu fragen brauchte. Aber Katja wollte sich doch lieber vergewissern.
»Sind Sie Georgi Gasarow?«, fragte sie.
Er schnellte hoch wie eine Sprungfeder. Vermutlich glaubte er, Katja käme aus dem Sekretariat und wolle ihn jetzt zu einem der Chefs hereinbitten.
»Also du bist Aligarch.« Katja musterte ihn ungeniert. »Ach, warum konntest du dein Mädchen nicht besser schützen!«
Gasarow starrte Katja verblüfft an.
Schwere, schnelle Schritte. Katja sah sich um: Wie ein Panzer bei der Attacke stampfte Bindjushny über den Korridor. Vor Kolossows Büro blieb er stehen und donnerte mit der Faust an die Tür, die sich augenblicklich öffnete. Dabei zeigte sich, dass so früh am Morgen noch gar keine Dienstbesprechung im Morddezernat stattfand. Durch die Tür konnte Katja flüchtig sehen, dass graublaue Rauchschwaden wie Gewitterwolken im Büro hingen. Mitten im Raum saßen außer Nikita ein korpulenter Mann mit einer Hornbrille und einer Aktentasche sowie eine Frau von etwa funfundvierzig Jahren, die sehr schick und teuer gekleidet war und, wie Katja mit geübtem Blick sofort registrierte, eine italienische Perücke, Farbton »Lichtblond« trug. Trotz des dick aufgespachtelten Make-ups sah man auf den Wangen der Blondine dunkle Flecken der Zornesröte.
Katja kam nicht dazu, auch nur ein Wort zu sagen: Bindjushny stürmte wie ein Tornado ins Zimmer, schlug sofort die Tür hinter sich zu und sperrte schlüsselklirrend wieder ab.
Hätte Katja alle Materialien im Fall »Roter
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