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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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spürte keinen Schmerz. Er spürte überhaupt nichts – nur diesen verzehrenden Wind, der ins Zimmer fegte und ihm den Mund wie mit einem Eisknebel verstopfte.

25
    Als Kolossow von dem Mord erfuhr, war er binnen einer Viertelstunde am »Roten Mohn«. Mit eingeschalteter Sirene jagte er den ganzen Weg über die Gegenfahrbahn und riskierte bei diesem Schneesturm jeden Moment einen Frontalzusammenstoß. Am Eingang des Kasinos empfing ihn Bindjushny. Das Einsatzkommando aus Skarabejewka war schon eingetroffen, und Bindjushny untersuchte die Blutspuren auf den Treppenstufen.
    Egle Taurage lag im Großen Saal des »Roten Mohn« auf dem mit grünem Tuch bezogenen Spieltisch, neben dem Roulette. Um den Tisch drängten sich in tiefem Schweigen die Angestellten des Kasinos sowie Kitajew und Saljutow. Das Gesicht des Mädchens war ruhig und bleich. An der Tür stand, an den Pfosten geklammert, die Kassiererin der Geldwechselstelle und schluchzte: »Mein Gott, wann nimmt dieser Albtraum denn endlich ein Ende?«
    Der Gerichtsmediziner, der zusammen mit dem Einsatzkommando gekommen war, befasste sich mit einer für ihn ungewöhnlichen Tätigkeit – er leistete einem der Elektriker erste Hilfe. Beim Sturz von der Leiter hatte der Mann sich schwer am Bein verletzt.
    Für Egle Taurage kam medizinische Hilfe zu spät. Sie war tot. Unterstützt von Bindjushny, zog Nikita ihr vorsichtig den mit Blut und Schnee verschmierten, durchnässten Pelzmantel aus. Drei Schusswunden im Rücken, zwei davon Durchschüsse.
    Nikita ließ seinen Blick durch den Saal wandern: Seltsam, aber das war tatsächlich das erste Mal, dass er mitten im großen Spielsaal des »Roten Mohn« stand. Er betrachtete die Wände, die mit gebeizter Eiche vertäfelt waren, die schweren weichen Vorhänge, die massiven, grün bezogenen und mit Kreide linierten Kartentische, die bunten Schalen für die Chips, die trübgelben Lampen an der Decke, die die Tische beleuchteten und in den Ecken des geräumigen, niedrigen Saales schummrige Schatten warfen. Trotz Klimaanlage und Lufterfrischern hing noch immer der Geruch nach teurem Tabak, Alkohol und dem herben Bohnerwachs für das spiegelblanke Parkett in der Luft.
    In diesem fensterlosen, nur von Soffittenlampen beleuchteten Saal war die Zeit erstarrt wie erkaltete Lava. Aber so muss es ja auch sein, dachte Nikita unwillkürlich. Hier ist alles so geplant und so eingerichtet, dass niemand mehr an die Zeit denkt. Das Spiel hat kein Ende und keinen Anfang, das Spiel dauert bis in alle Ewigkeit. Es ergreift und unterwirft dich.
    »Offenbar wieder Pistolenschüsse«, stellte Bindjushny fest, während er die Wunden an Egles Körper untersuchte. »Aus nächster Nähe. Sie wollte gerade zur Tür hinein, als man aus einem heranfahrenden Auto auf sie geschossen hat.«
    »Ist das Auto identifiziert worden?«, fragte Kolossow.
    »Nach Aussagen der Augenzeugen war es ein ausländischer Wagen. Die einen sagen, ein Volvo, die anderen meinen, es sei ein BMW gewesen. Eine dunkle Farbe – schwarz oder dunkelblau.«
    »Was wollte sie hier?«, fragte Kolossow und blickte auf Egle.
    Bindjushny schwieg.
    »Was wollte sie hier?« Nikita hob die Stimme, er wandte sich jetzt an Saljutow. »Wissen Sie, warum sie hergekommen ist?«
    Aber auch Saljutow schwieg.
    »Ist Gasarow hier?«, fragte ihn Kolossow.
    »Nein«, antwortete Kitajew für seinen Chef. Er räusperte sich und trat vor. »Niemand war hier, nur unsere Angestellten. Kein einziger Gast.«
    »Ich habe den Taxifahrer, der sie hergebracht hat, als Ersten verhört«, flüsterte Bindjushny ihm zu. »Er sagt aus, es sei ein BMW gewesen. Angeblich ist der Wagen hinter ihnen von der Chaussee gekommen. Auf der Allee will er ihn bemerkt haben – und das bei diesem Schneesturm. Er sagt, die Taurage habe ihn in der Mytnaja-Straße angehalten. Sie ist also von zu Hause hierher gefahren. Hier ist sie dann ausgestiegen, wollte bezahlen, und in dem Moment kommt plötzlich dieser Wagen von der Allee, wendet bei vollem Tempo, und dann fallen die Schüsse. Der Taxifahrer hat nicht gesehen, wer geschossen hat, er sagte, ihm sei vor Schreck schwarz vor Augen geworden . . . Die Beschreibung des Wagens habe ich schon an die Verkehrspolizei weitergeleitet.«
    »Der Taxichauffeur hat auch nicht gesehen, wer am Steuer des Wagens saß?«, hakte Kolossow nach.
    »Nein, ich habe ihn gehörig in die Mangel genommen, aber er versichert, er habe nichts gesehen.«
    »Vielleicht schauen Sie sich mal das Video an?«, meinte

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