Das Laecheln der Chimaere
Mohn« gekannt, so hätte sie sofort gewusst, wer diese blonde Frau war: Shanna Basmanjuk. Bei ihr war der Anwalt Boris Grzymailo, den sie inzwischen alarmiert und um seinen juristischen Beistand gebeten hatte.
Katja schaute sich nach Gasarow um. Er stand jetzt an die Wand gelehnt. »Eine schwarze Perle in reichem Geschmeide, ein goldener Adler des Himmels«, fiel Katja unwillkürlich wieder ein. Nein, dachte sie, Egle hatte wirklich Talent, sie besaß die wichtigste Gabe eines Dichters – die Gabe zu träumen.
Als Iwan Bindjushny ins Büro stürzte und Kolossow wie ein Verschwörer die Neuigkeit ins Ohr flüsterte, war dessen spontaner Gedanke: Nehmen diese verfluchten Überraschungen denn gar kein Ende!
Den ganzen vergangenen Abend und die ganze Nacht hatte er nichts anderes getan, als die ständig neuen, überraschenden Wendungen dieses Falles zu resümieren und sie mit dem einzigen eindeutigen Faktum zu verbinden – dem zweiten Mord im Kasino. Die erste Überraschung war das unerwartete Auftauchen Shanna Basmanjuks im »Roten Mohn« gewesen. Sie wäre fast schon zusammen mit dem geheimnisvollen BMW zur Fahndung ausgeschrieben und für das nächste Opfer gehalten worden – aber um fünf Uhr nachmittags fuhr die bestrickende Shanna höchstpersönlich vorm Kasino vor, in einem altersschwachen Shiguli, der wie ein Gespenst aus dem Schneesturm auftauchte.
Kolossow sprach zu dieser Zeit gerade mit Waleri Saljutow im Spielautomatensaal. Im angrenzenden Großen Saal untersuchten der Gerichtsmediziner und der Untersuchungsführer die Leiche. Als Nikita, Kitajew und Bindjushny das Videoband zu Ende gesehen hatten und in den Spielsaal zurückgekehrt waren, stand Saljutow noch immer neben der Leiche des Mädchens, als halte er Totenwache. Nikita kam sein Benehmen anfangs gekünstelt, wie eine absichtliche Pose, vor.
»Waleri Wiktorowitsch, auf zwei Worte.« Er legte Saljutow die Hand auf die Schulter. »Ich muss mit Ihnen allein sprechen.«
Saljutow schaute Kolossow an, als ob er aus einem Traum aufwache, und ging dann mit schweren, langsamen, schlurfenden Schritten in die Automatenhalle. Es war der Gang eines alten Mannes. Nikita schaltete das Diktafon in seiner Tasche ein. Später, als er schon im Auto saß und zurück nach Moskau fuhr, hörte er die Aufzeichnung dieses Gesprächs ab. Es war nur eine kurze Unterhaltung, trotzdem kam Nikita etwas daran ungewöhnlich vor. Aber noch begriff er nicht, was ihn daran so stutzig machte.
Frage Kolossows: Waleri Wiktorowitsch, ist es richtig, dass sich alles vor Ihren Augen abgespielt hat?
Antwort Saljutows: Ja, ich habe alles aus dem Fenster meines Büros gesehen.
Frage: Ist Ihnen bekannt, warum Frau Taurage zum Kasino gefahren ist, noch bevor es geöffnet hatte?
Antwort: Diese Frage hätte nur sie selbst beantworten können.
Frage: Hat sie Sie vor ihrer Ankunft angerufen?
Antwort: Nein. Mich hat sie nicht angerufen.
Frage: Was haben Sie da an der Hand für einen Verband? Sind Sie verwundet?
Antwort: Mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe mich nur versehentlich an der Hand verletzt.
Frage: Haben Sie gesehen, wer geschossen hat?
Antwort: Nein, ich habe nur den Wagen gesehen. Einen dunklen BMW.
Frage: Waleri Wiktorowitsch, erinnern Sie sich an die Aussage des Portiers Peskow?
Antwort: Ja, ich erinnere mich.
Frage: Er hat ausgesagt, dass am fünften Januar gegen halb neun Uhr abends Frau Basmanjuk aus der Herrentoilette kam, in der kurz darauf der ermordete Teterin gefunden wurde. Haben Sie mit ihr über diese Aussage Peskows gesprochen?
Antwort: Nein, das habe ich nicht getan.
Frage: Bedeutet das, Sie glauben der Aussage Ihres Portiers nicht?
Antwort: Peskow ist nicht fähig zu lügen.
Frage: Wie ist dann Ihr Schweigen zu verstehen? Soll das heißen, Sie schließen es aus, dass Frau Basmanjuk etwas mit den Morden zu tun haben könnte?
Antwort: Ja, das schließe ich aus.
Frage: Tengis Milowadse ist Ihnen besser bekannt als mir. Vielleicht haben seine Wege sich irgendwann mit denen Ihres Pit-Bosses gekreuzt? Sie kennen Frau Basmanjuk doch schon ziemlich lange?
Antwort: Ihre Wege haben sich nie gekreuzt. PAUSE. Sind Sie wirklich hundertprozentig sicher, dass Milowadse hinter diesen Verbrechen steckt?
PAUSE.
Antwort Kolossows: Milowadse ist heute Morgen von der Staatsanwaltschaft festgenommen worden und sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Sie müssen Ihre Aussagen wahrscheinlich noch einmal bei der Gegenüberstellung mit ihm wiederholen. Aber nach der
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