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Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Titel: Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gabl
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ihm. Chaucer behauptete, es sei eine wahre Geschichte. Und Robin fragte sich, ob der Dichter sie dem König oder Oxford vielleicht auch erzählt hatte. Jedenfalls hatte er festgestellt, dass ihre Brotrationen von Tag zu Tag kleiner wurden. Und das machte ihm Angst. Es war so schwierig, in dieser finsteren Gruft nicht das Schlimmste zu befürchten und zu verzweifeln. So viele waren über die Jahrhunderte im Tower auf tausenderlei Arten gestorben; die alten Mauern waren blutgetränkt. Er wusste, dass er mächtige Feinde bei Hofe hatte und dass der König ihm alles andere als gewogen war. Es schien keineswegs so abwegig, dass man sie hier elend verrecken lassen würde, ohne einen inszenierten Prozess zu riskieren. Robin dachte an seinen Vater und fühlte sich ihm zum ersten Mal seit seiner Kindheit wieder verbunden.
    Raymond hatte vielleicht zwei Stunden geschlafen, als der Schlüssel in der Tür rasselte.
    Es ist nicht Morgen, dachte Robin erstaunt, und dann richtete er sich kerzengerade auf. Er hatte inzwischen gelernt, die Augen gegen das Licht zu schließen, ehe es tatsächlich hell wurde. Auf diese Weise erlangte er seine Sehfähigkeit schneller zurück, weil er nicht geblendet wurde.
    Als er die Augen wieder öffnete, stand Mortimer über ihm. Seine Lider waren halb geschlossen, aber er sah forschend auf sie hinab. „Dein Sohn scheint mir schmächtig, Robert.“
    Raymond schlief noch. Robin rührte sich nicht. Stattdessen betrachtete er Mortimer. Er war nach der neuesten Mode bei Hofe gekleidet: hautenge, dünne Seidenhosen, eine kurze und in der Taille geraffte Schecke in leuchtenden Farben. Dazu ein kurzer Umhang mit Kapuze, die in seinem Nacken zu einem unförmigen Gebilde aufgesteckt war, und Schnabelschuhe, deren Lederspitzen so lang waren, dass er achtgeben musste, um nicht darüber zu stolpern.
    Robin sagte nichts. Aber vielleicht verriet sein Gesichtsausdruck, was er von Mortimers Aufmachung hielt. Jedenfalls packte Mortimer Raymond plötzlich an den Haaren, so dass der Junge jammernd aus dem Schlaf auffuhr, und schleuderte ihn beiseite. Dann trat er Robin mit Macht in die Rippen. „Sie sagen, du hast in Lancasters Auftrag versucht, Soldaten aus des Königs Leibwache für ein Mordkomplott zu gewinnen.“
    Robin lag mit dem Gesicht im dreckigen Stroh und hustete leise. „Wer sind sie ? Wer außer dir und Oxford?“
    Ein mörderischer Tritt traf seinen Kopf, und Robins Blick verschwamm. Nur vage nahm er wahr, dass sein Sohn sich mit einem wütenden Kampfschrei auf Mortimer stürzte. Er landete einen gut platzierten Tritt gegen dessen Schienbein, und das war das Ende seines Kriegsglücks. Mortimer betrachtete Raymond wie eine lästige Stechfliege und schenkte ihm einen Moment seine volle Aufmerksamkeit. Raymonds Schreie brachten Robin schnell wieder zur Besinnung. Er kam auf die Füße. „Mortimer, hör auf damit. Komm schon, nicht der Junge, das ist selbst unter deiner zweifelhaften Würde.“
    Mortimer ließ Raymond los, und der Junge fiel zu Boden. Er blutete aus Mund und Nase, blieb reglos liegen und starrte seinen Vater aus schockgeweiteten Augen an. Robin hatte zum ersten Mal Gelegenheit, ihn länger als nur ein paar Augenblicke anzusehen. Mortimer hatte recht, erkannte er. Raymond war schmächtig. Immer gewesen, aber die Dunkelheit und die schlechte Ernährung zeigten schon Spuren. Der Junge wirkte ausgezehrt, so als sei er krank.
    Mortimer nickte den beiden Wachen zu, die mit ihm gekommen waren. Der eine, der die Fackel hielt, war der, der ihnen ihre Tagesration brachte. Der andere war der Sergeant, der Robin sein Geld und seine Sachen abgenommen hatte. Er trat auf Robin zu und zerrte ihn zur Wand. Dann nahm er sein rechtes Handgelenk. Für besonders renitente oder uneinsichtige Gefangene waren etwa in Kopfhöhe Handketten mit dicken Ringen in der Mauer verankert. Der Sergeant suchte einen seiner vielen Schlüssel hervor und schloss sie auf. Robin sah zu, wie je eine rostige Eisenschelle sich erst um das eine, dann um das andere Gelenk schloss. Er spürte eine Gänsehaut auf den Armen.
    „Lasst mir die Fackel hier und verschwindet“, befahl Mortimer.
    Langsam befestigte der Wachsoldat das Licht in einer Halterung an der Wand. Er spürte Robins Blick und sah sich schließlich gezwungen, ihn zu erwidern.
    „Hast du so viel christliches Erbarmen, dass du meinen Sohn für eine Weile mit hinaus ans Tageslicht nimmst?“
    Der Soldat warf seinem Sergeant einen unsicheren, fast ängstlichen Blick zu,

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