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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Pariser
Verhältnisse enormen Busen. Sie war eine Frau mit Prinzipien.
    In der Regel
kam ich gegen zehn Uhr in den Verlag und blieb bis halb acht. Die Mittagspausen
konnten recht ausgedehnt sein, vor allem, wenn ich mit einem Autor essen ging,
konnte es schon mal drei Uhr werden. »Monsieur Chabanais est en
rendez-vous«, sagte Madame Petit dann geschäftig, wenn jemand nach mir
fragte. Ab fünf Uhr wurde es endlich ruhiger in der ansonsten eher umtriebigen
Editions Opale, und man kam zu den eigentlichen Arbeiten. Die Zeit verflog, und
wenn ich viel zu tun hatte, konnte es passieren, daß ich auf die Uhr schaute
und es plötzlich kurz vor neun war. Heute beschloß ich, früher zu gehen. Der
Tag hatte mich angestrengt.
    Ich drehte den
alten Heizkörper unter dem Fenster ab, packte das Manuskript von Mademoiselle
Mirabeau in meine alte Aktentasche, zog an dem kleinen messingfarbenen Metallkettchen,
das von der dunkelgrünen Schreibtischlampe herabbaumelte, und löschte das
Licht.
    »Für heute
reicht's«, murmelte ich und zog die Tür von meinem Büro hinter mir zu. Doch das
Ende meines Tages war im großen Plan der göttlichen Vorsehung wohl noch nicht
vorgesehen.
    »Verzeihen
Sie«, sagte die Stimme, die mir am Nachmittag den letzten Nerv geraubt hatte.
»Können Sie mir wohl sagen, wo ich Monsieur Chabanais finde?«
     
    Sie stand wie aus dem Boden
gewachsen vor mir. Doch es war keine aufsässige Achtzigjährige, die mich mit
ihren verloren geglaubten Briefen quälte. Eine junge schlanke Frau in
dunkelbraunem Wollmantel und Wildlederstiefeln war die Besitzerin »der Stimme«.
Um den Hals hatte sie nachlässig einen gestrickten Schal geschlungen. Ihre
überschulterlangen Haare flogen auf und glänzten im schwachen Flurlicht wie
gesponnenes Gold, als sie jetzt zögernd einen Schritt auf mich zu machte.
    Sie sah mich
aus dunklen grünen Augen fragend an.
    Es war
Donnerstagabend, kurz vor halb sieben, und ich hatte gerade ein Déjà-vu, das
ich im ersten Moment nicht zuordnen konnte.
    Ich rührte
mich nicht und starrte die Gestalt mit dem dunkelblonden Haar an wie eine
Erscheinung.
    »Ich suche
Monsieur Chabanais«, sagte sie noch einmal ernsthaft. Und dann lächelte sie. Es
war, als ob ein Sonnenstrahl über den Flur huschte. »Wissen Sie vielleicht, ob
er noch da ist?«
    Mein Gott, ich
kannte dieses Lächeln! Ich hatte es vor ungefähr eineinhalb Jahren schon einmal
gesehen. Es war dieses unglaublich bezaubernde Lächeln, mit dem die Geschichte
in meinem Roman begann.
     
    Mit den Geschichten ist es so
eine Sache. Woher nehmen Autoren ihre Geschichten? Schlummern sie einfach so in
ihnen und werden durch bestimmte Ereignisse an die Oberfläche geholt? Nehmen
die Schreibenden sie aus der Luft? Folgen sie dem Lebensweg realer Personen?
    Was ist wahr,
was ist erfunden? Was gab es wirklich und was hat es nie gegeben? Beeinflußt
die Imagination die Wirklichkeit? Oder die Wirklichkeit die Imagination?
    Der
Illustrator und Cartoonist David Shrigley hat einmal gesagt: »Wenn die Leute
mich fragen, woher ich meine Ideen habe, sage ich ihnen, daß ich es nicht weiß.
Es ist eine dumme Frage. Denn wenn ich wüßte, woher ich meine Ideen hätte,
wären es nicht mehr meine Ideen. Sie wären die Ideen eines anderen und ich
hätte sie gestohlen. Ideen kommen von nirgendwoher und sind plötzlich im Kopf.
Vielleicht kommen sie von Gott oder von den dunklen Mächten oder von irgend
etwas ganz anderem.«
    Meine Theorie
ist, daß man die Menschen, die Romane schreiben und uns etwas erzählen, in drei
große Gruppen unterteilen kann.
    Die einen
schreiben immer nur über sich selbst - manche von ihnen gehören zu den ganz Großen
der Literatur.
    Die anderen
haben ein beneidenswertes Talent dafür, Geschichten zu enden. Sie fahren
im Zug, schauen aus dem Fenster, und plötzlich haben sie eine Idee.
    Und dann gibt
es noch jene, die sozusagen die Impressionisten unter den Schreibern sind. Ihre
Begabung liegt darin, Geschichten zu finden.
    Sie gehen mit
offenem Blick durch die Welt und pflücken Situationen, Stimmungen und kleine
Szenen wie Kirschen von den Bäumen.
    Eine Geste,
ein Lächeln, die Art, wie sich jemand die Haare zurückstreicht oder die Schuhe
zubindet. Momentaufnahmen, hinter denen sich Geschichten verstecken. Bilder,
die zu Geschichten werden.
    Sie sehen ein
Liebespaar an einem lauen Abend durch den Bois de Boulogne schlendern und
überlegen, wo das Leben die beiden hinführen wird. Sie sitzen im Cafe und
beobachten zwei

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