Das Lächeln der Frauen
Ich
meine, es ist immerhin sein Bild.«
»Ach, das!
Weißt du, Sam trägt inzwischen einen Bart - niemand hätte ihn auf diesem Photo
erkannt.«
Adam hatte
sich wieder gefangen. Ich jedoch nicht.
»Na,
großartig! How very funny!« schrie ich erregt. »Und jetzt? Kann er sich
diesen Bart wieder abnehmen? Wenn er überhaupt bereit ist, dieses ganze
Spiel mitzumachen. Nachdem du ihm vorher kein Sterbenswörtchen erzählt
hast? Oh, Mann! Oh, Mann! C'est incroyable! Tja. Das war's dann wohl. Fini! Am besten pack ich hier gleich alles zusammen.«
Mein Blick
wanderte über die vollgestellten Bücherregale und über die Manuskriptstapel,
die noch geprüft werden wollten. Über das große Ausstellungsplakat der letzten
Bonnard-Ausstellung im Grand Palais, das eine heitere südfranzösische
Landschaft zeigte. Über die kleine Bronzestatue auf meinem Schreibtisch, die
ich mir einmal aus der Villa Borghese in Rom mitgebracht hatte und die den
Augenblick der Verwandlung der schönen Daphne, welche gerade vor Apoll flieht,
in einen Baum zeigt.
Vielleicht
sollte ich mich einfach auch in einen Baum verwandeln, dachte ich, auf der
Flucht nicht vor einem Gott, sondern vor einem wutschnaubenden Jean-Paul
Monsignac.
»Sie haben
gute Augen«, hatte er gesagt, als er mich einstellte. »So einen offenen, ehrlichen
Blick. Eh bien! Ich mag Menschen, die einem in die Augen schauen
können.«
Mein Blick
wanderte in Schwermut weiter zu dem hübschen kleinen Fenster mit den weißen
Sprossen und den doppelten Scheiben, von dem aus ich über die Dächer der
anderen Häuser hinweg die Spitze der Kirche von Saint-Germain sehen konnte und
an frühlingshaften Tagen ein Stück blauen Himmel. Ich seufzte tief.
»Jetzt mach
dir nicht ins Hemd, Andre«, ertönte aus weiter Ferne die Stimme Adam Goldbergs.
»Wir kriegen das schon hin.«
»Wir kriegen
das schon hin« war offenbar sein Lebensmotto. Meines nicht. Jedenfalls nicht in
diesem Moment.
»Sam schuldet
mir eh noch einen Gefallen«, fuhr Adam fort, ohne mein Verstummen zu beachten.
»Er ist ein wirklich netter Bursche, und er wird schon mitmachen, wenn ich ihn
darum bitte, verlaß dich drauf. Ich werde ihn noch heute abend anrufen und ihm
alles erklären, okay?«
Ich wickelte
schweigend das Telefonkabel um meinen Finger.
»Wann wäre
denn der Wunschtermin?« fragte Adam.
»Anfang
Dezember«, murmelte ich und betrachtete meinen eingewickelten Finger.
»Na, dann
haben wir doch noch mehr als zwei Wochen!« rief Adam erfreut, und ich konnte
nur staunen.
Für mich war
die Zeit unerbittlich. Für ihn war sie eine Verbündete.
»Ich melde
mich, sobald ich meinen Bruder erreicht habe. Kein Grund, sich verrückt zu machen«,
sagte er beschwichtigend. Und dann beendete mein englischer Freund das Gespräch
mit einer kleinen Variation seines Lieblingssatzes. »Don't worry. Das
kriegen wir locker hin!«
Der Rest des Nachmittags verlief
unspektakulär. Ich versuchte die Stapel auf meinem Schreibtisch abzuarbeiten
und war nicht recht bei der Sache.
Gabrielle
Mercier kam irgendwann mit wichtiger Miene vorbei, um mich wissen zu lassen,
daß Monsieur Monsignac nach der Lektüre des italienischen
Eisdielenbesitzerromans (Anfang - Mitte - Schluß) keine Hoffnung sah, daraus
jemals eine Donna Leon machen zu können. »Ein schreibender Eisdielenbesitzer, das soll wohl höchst originell sein, was?« hatte Monsignac verächtlich
gesagt. »Wenn Sie mich fragen - Mittelstufenprosa. Und nicht mal spannend! Eine
Frechheit, dafür so viel Geld zu verlangen. Ils sont fous, les Américains!« Das
fand Madame Mercier dann auch, die seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren einer
Meinung mit dem Verleger war, und so hatte man sich gütlich darauf geeinigt,
daß das Manuskript abgesagt werden konnte.
Gegen halb
sechs kam Madame Petit mit ein paar Briefen und Verträgen herein, die zu unterzeichnen
waren. Dann wünschte sie mir gnädig einen schönen Abend und verabschiedete sich
mit dem Hinweis, daß die Post von heute im Sekretariat liege.
»Ja, ja«,
sagte ich und nickte ergeben. An guten Tagen brachte Madame Petit meine Post
und legte sie mir persönlich auf den Schreibtisch. Meistens fragte sie mich
dann, ob ich einen schönen Kaffee haben wolle. (»Was halten Sie von einem
schönen Kaffee, Monsieur Chabanais?«) Wenn sie mit mir böse war, so wie heute,
kam ich selbstredend nicht in den Genuß dieses doppelten Privilegs. Madame
Petit war nicht nur eine stattliche Sekretärin mit einem für
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