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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Freundinnen, die sich angeregt unterhalten. Noch wissen sie
nicht, daß bald die eine die andere mit deren Freund betrügen wird. Sie fragen
sich, wohin die Frau mit den traurigen Augen, die in der Metro sitzt und den
Kopf an die Scheibe lehnt, wohl fährt.
    Sie stehen an
der Kinokasse und hören zufällig eine unglaublich lustige Diskussion zwischen
der Kartenverkäuferin und einem uralten Ehepaar, das fragt, ob es eine Studentenermäßigung gibt - besser kann man es nicht erfinden! Sie sehen das Licht des
Vollmonds, das sich wie eine Silberlache über die Seine ergießt, und ihr Herz
füllt sich mit Worten.
    Ich weiß
nicht, ob es vermessen ist, wenn ich mich als Autor bezeichne. Immerhin habe
ich ja gerade mal einen kleinen Roman geschrieben. Aber wenn ich es doch tue,
so würde ich mich unbedingt jener letzten Kategorie zuordnen. Auch ich zähle zu
den Menschen, die ihre Geschichten finden.
    Und so habe
ich auch damals die Heldin meines Romans in einem kleinen Restaurant gefunden.
    Ich weiß es
noch genau - ich schlenderte an diesem frühlingshaften Abend allein durch
Saint-Germain, die Menschen saßen schon draußen vor den Restaurants und Cafés,
und ging diesmal eine kleine Straße entlang, die ich sonst selten nehme. Meine
damalige Freundin wünschte sich zu ihrem Geburtstag eine Kette und hatte mir
von einem winzigen Schmuckladen der israelischen Designerin Michal Negrin
vorgeschwärmt, der sich in der Rue Princesse befand. Ich entdeckte den Laden,
verließ ihn kurze Zeit später mit einem nostalgisch verpackten, bunten Päckchen
und dann - ohne irgendwie darauf vorbereitet zu sein - fand ich Sie!
    Sie stand
hinter der Scheibe eines Restaurants, das die Größe eines Wohnzimmers hatte,
und sprach mit einem Gast, der an einem der kleinen Holztische mit rot-weiß gewürfelten
Decken saß und mir den Rücken zuwandte. Das sanfte, gelbliche Licht überglänzte
ihr langes, in der Mitte gescheiteltes Haar, und es war dieses bei jeder
Bewegung auffliegende Haar, das mir zuerst ins Auge fiel.
    Ich blieb
stehen und sog jedes Detail dieser jungen Frau in mich auf. Das schlichte lange
grünliche Kleid aus zartem Seidenstoff, das sie so selbstverständlich trug wie
eine römische Frühlingsgöttin und dessen breite Träger ihre Schultern und die
Arme freiließen. Die Hände mit den langen Fingern, die sich anmutig bewegten,
wenn sie redete.
    Ich sah, wie
sie sich an den Hals faßte und mit einer Kette aus winzigen milchig-weißen Perlen
spielte, die in einer großen alten Gemme endete.
    Und dann
schaute sie für einen kurzen Moment auf und lächelte.
    Es war dieses
Lächeln, das mich verzauberte und mich mit Freude erfüllte, obwohl es gar nicht
mir galt. Ich stand draußen vor der Scheibe wie ein Voyeur und wagte nicht zu
atmen - so vollkommen schien mir dieser Augenblick.
    Dann öffnete
sich die Tür des Restaurants, Menschen traten lachend auf die Straße, der Augenblick
war vorbei, das schöne Mädchen drehte sich um und verschwand, und ich ging
weiter.
    Ich hatte
niemals zuvor und auch später nicht in dem kleinen behaglichen Restaurant gegessen,
dessen Namen ich so poetisch fand, daß ich gar nicht anders konnte, als meinen
Roman dort enden zu lassen - im Le Temps des Cerises.
    Meine Freundin
bekam ihre glitzernde Halskette. Kurze Zeit später verließ sie mich.
    Doch was mir
blieb, war das Lächeln einer Fremden, das mich inspirierte und beflügelte. Ich
taufte sie Sophie und füllte sie mit Leben. Ich schickte sie durch eine
abenteuerliche Geschichte, die ich mir ausgedacht hatte.
    Und nun stand
sie plötzlich vor mir, und ich fragte mich allen Ernstes, ob es möglich war,
daß eine Romanfigur ein Mensch aus Fleisch und Blut werden konnte.
     
    »Monsieur?« Die Stimme hatte
einen besorgten Ton angenommen, und ich kehrte in den Flur der Editions Opale
zurück, wo ich immer noch vor meiner zugezogenen Bürotür stand.
    »Verzeihen
Sie, Mademoiselle«, sagte ich und bemühte mich, meiner Verwirrung Herr zu werden.
»Ich war gerade in Gedanken. Was sagten Sie?«
    »Ich möchte
mit Monsieur Chabanais sprechen, wenn das möglich ist«, wiederholte sie noch
einmal.
    »Nun ... Sie
sprechen mit ihm«, entgegnete ich, und ihre überraschte Miene zeigte mir, daß
sie sich den Mann, der sie wenige Stunden zuvor so unfreundlich aus der Leitung
geworfen hatte, auch anders vorgestellt hatte.
    »Oh«, sagte
sie, und ihre schmalen dunklen Augenbrauen gingen in die Höhe. »Sie sind
das!« Ihr Lächeln verschwand.
    »Ja, das

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