Das Lächeln der Frauen
einer der
wenigen bin, die Robert Miller wirklich kennen. Immerhin habe ich viel
mit ihm an seinem Buch gearbeitet, und er schätzt mich sehr.«
Sie wirkte
beeindruckt. »Es ist ein tolles Buch geworden.« Und dann sagte sie: »Ach, ich
würde diesen Miller wirklich zu gern kennenlernen. Meinen Sie nicht, es besteht
eine kleine Chance, daß er mir antwortet?«
Ich zuckte mit
den Schultern. »Was soll ich dazu sagen, Mademoiselle Bredin? Ich glaube es
eher nicht, aber ich bin ja nicht der liebe Gott.«
Sie spielte an
den Fransen ihres Schals herum. »Wissen Sie ... es ist nicht ein Leserbrief im eigentlichen Sinne. Es würde jetzt zu weit führen, Ihnen alles zu erklären, Monsieur
Chabanais, und eigentlich ist das ja auch gar nicht Ihre Sache, aber Monsieur
Miller hat mir in einer schwierigen Situation sehr geholfen, und ich würde mich
gern erkenntlich zeigen, verstehen Sie?«
Ich nickte und
konnte es kaum erwarten, an meinen Postkorb zu stürzen, um zu lesen, was
Mademoiselle Aurélie Bredin Monsieur Robert Miller zu sagen hatte.
»Tja, warten
wir es doch einfach ab«, meinte ich salomonisch. »Wie sagt der Engländer so
schön? Abwarten und Tee trinken.«
Mademoiselle
Bredin verzog ihr Gesicht in komischer Verzweiflung. »Ich warte aber so ungern«,
erklärte sie.
»Wer wartet
schon gern«, entgegnete ich großzügig und hatte das gute Gefühl, alle Fäden in
der Hand zu haben. Nicht im Traum wäre es mir eingefallen, daß nur wenige
Wochen später ich derjenige sein würde, der unruhig und verzweifelt auf die
alles entscheidende Antwort einer äußerst verärgerten Frau mit dunkelgrünen
Augen warten würde, die über den letzten Satz eines Romans bestimmen sollte.
Und damit über mein Leben!
»Darf ich
Ihnen meine Karte dalassen?« sagte Mademoiselle Bredin und zog eine kleine
weiße Visitenkarte mit zwei roten Kirschen aus ihrem Lederbeutel. »Nur für den
Fall, daß Robert Miller doch noch nach Paris kommt. Vielleicht könnten Sie mir
dann netterweise Bescheid geben.« Sie warf mir einen Blick zu, der wohl
verschwörerisch sein sollte.
»Ja, lassen
Sie uns in Kontakt bleiben.« Ich gebe zu, ich wollte in diesem Moment nichts
mehr als das. Auch wenn ich Robert Miller aus verständlichen Gründen am
liebsten außen vor gelassen hätte. Ehrlich, ich fing jetzt schon an, diesen
Kerl zu hassen. Ich nahm die Karte und konnte meine Überraschung kaum
verbergen. »Le Temps des Cerises«, las ich halblaut. »Oh ... Sie arbeiten in diesem Restaurant?«
»Mir gehört dieses Restaurant«, entgegnete sie. »Kennen Sie es?«
Ȁh ... nein
... ja ... nicht wirklich«, stammelte ich. Ich mußte aufpassen, was ich sagte.
»Ist das ... ist das nicht das Restaurant, das in Millers Roman vorkommt? Na,
haha, so ein Zufall!«
»Ist es
ein Zufall?« Sie sah mich sinnend an, und ich fragte mich für einen panischen
Moment, ob sie irgend etwas wissen konnte. Nein, das war unmöglich! Völlig unmöglich!
Keiner außer Adam und mir wußte, daß Robert Miller in Wirklichkeit André
Chabanais hieß.
»Au revoir, Monsieur Chabanais.« Sie lächelte mir noch einmal zu, bevor sie sich zum
Gehen wandte. »Vielleicht finde ich es mit Ihrer Hilfe ja bald heraus.«
»Au revoir, Mademoiselle Bredin.« Ich lachte auch und hoffte, daß sie es niemals
herausfinden würde. Und schon gar nicht mit meiner Hilfe.
5
»Miller«, sagte Bernadette.
»Miller ... Miller ... Miller.« Sie saß mit vorgebeugtem Oberkörper vor ihrem
PC und gab den Namen Robert Miller ein. »Wollen mal sehen, was Google dazu
sagt.«
Es war wieder
Montag, und am Wochenende war so viel los gewesen im Restaurant, daß ich keine
Zeit gefunden hatte, mich meiner neuen Lieblingsbeschäftigung zu widmen - dem
Suchen und Finden von Robert Miller.
Wir hatten am
Freitag zwei größere Gesellschaften gehabt - einen Geburtstag, bei dem viel gesungen
und angestoßen wurde, und eine Gruppe von vielleicht noch fideleren
Geschäftsleuten, die offensichtlich schon im November ihre Weihnachtsfeier
abhielten und gar kein Ende finden konnten.
Jacquie hatte
geflucht und geschwitzt, weil Paul, der Sous-Chef, krank geworden war und er
jetzt die ganze Braterei mit übernehmen mußte.
Außerdem
wollte keiner der Gäste das Menu mit dem Fisch. Alle bestellten a la carte und
Jacquie beschwerte sich, weil ich zuviel Lachs eingekauft hatte, den er jetzt
nicht mehr loswerden würde.
Doch ich war
mit meinen Gedanken ganz weit weg. Sie umkreisten einen gutaussehenden Engländer,
der
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