Das Lächeln der Frauen
bin
ich«, wiederholte ich etwas einfältig.
»Dann haben
wir heute nachmittag schon miteinander telefoniert«, sagte sie. »Ich bin
Aurélie Bredin, erinnern Sie sich? Die mit dem Brief an Ihren Autor ...
Monsieur Miller.« Ihre dunkelgrünen Augen sahen mich vorwurfsvoll an.
»Ja, in der
Tat, ich erinnere mich.« Sie hatte verdammt schöne Augen.
»Sicher sind
Sie verwundert, daß ich einfach hier so hereingeschneit bin?« sagte sie.
Was sollte ich
darauf erwidern? Der Grad meiner Verwunderung überstieg wahrscheinlich ein
Tausendfaches von dem, was sie sich vorstellen konnte. Es grenzte wirklich an
ein Wunder, daß Sophie, die Heldin meines Romans, plötzlich hier hereinschneite
und mir Fragen stellte. Daß sie die Frau vom Nachmittag war, die von mir
die Adresse eines Autors haben wollte (den es gar nicht gab!), weil sein Buch
(also mein Buch!) ihr angeblich das Leben gerettet hatte. Doch wie hätte ich
ihr das erklären sollen? Ich verstand gerade selbst nichts mehr und hatte das
Gefühl, daß in der nächsten Minute jemand mit triumphierendem Fernsehgelächter
aus der Ecke springen würde, um mir übertrieben fröhlich zuzurufen: »You are
in Candid Camera, hahaha!«
Also starrte
ich sie weiterhin an und wartete darauf, daß meine Gedanken sich sortierten.
»Nun ...«, sie
räusperte sich. »Nachdem Sie heute am Telefon so ...«, sie machte eine kleine
Kunstpause, »... so ungeduldig und hektisch waren, habe ich gedacht, es ist vielleicht
besser, wenn ich persönlich vorbeikomme, um mich nach meinem Brief zu
erkundigen.«
Das waren
meine Stichworte. Großartig, sie war gerade mal fünf Minuten hier und redete bereits
wie Ma-man! Ich erwachte umgehend aus meiner katatonischen Starre.
»Hören Sie,
Mademoiselle, ich hatte heute eine Menge um die Ohren. Aber ich war nicht hektisch
oder ungeduldig!«
Sie sah mich
nachdenklich an, dann nickte sie. »Stimmt«, sagte sie. »Wenn ich ehrlich sein
soll, waren Sie eher unfreundlich. Ich habe mich schon gefragt, ob alle
Lektoren so unfreundlich sind oder ob das Ihre Spezialität ist, Monsieur
Chabanais.«
Ich grinste.
»Keineswegs, wir versuchen hier nur unseren Job zu machen und werden leider
manchmal dabei gestört, Mademoiselle ...« Ich hatte ihren Namen schon wieder
vergessen.
»Bredin.
Aurélie Bredin.« Sie streckte mir die Hand entgegen und lächelte wieder.
Ich ergriff
sie und fragte mich bereits in diesem Augenblick, wie ich es anstellen könnte,
daß ich diese Hand (und wenn möglich nicht nur die Hand) länger halten konnte
als nötig. Dann ließ ich los.
»Nun,
Mademoiselle Bredin, ich freue mich jedenfalls, jetzt auch persönlich Ihre
Bekanntschaft machen zu dürfen. Man begegnet ja nicht jeden Tag solch
engagierten Leserinnen.«
»Hat sich mein
Brief denn nun inzwischen gefunden?«
»Oh, ja!
Natürlich«, log ich und nickte. »Er lag ganz friedlich in meinem Postkorb.«
Was konnte
schon passieren? Entweder lag der Brief tatsächlich noch in meinem Postkorb,
oder er lag dort morgen oder übermorgen. Und selbst wenn dieser Brief niemals
auftauchte, wäre es vom Ergebnis dasselbe: Dieser wunderbare Leserbrief würde
seinen Adressaten niemals erreichen, sondern bestenfalls ganz hinten in meinem
Stahlschrank landen.
Ich lächelte
zufrieden.
»Dann können
Sie ihn ja an Robert Miller weiterleiten«, sagte sie.
»Aber
selbstverständlich, Mademoiselle Bredin, seien Sie unbesorgt. Ihr Brief ist
schon so gut wie in den Händen des Autors. Allerdings ...«
»Allerdings?«
wiederholte sie beunruhigt.
»Allerdings
würde ich mir an Ihrer Stelle nicht zuviel erwarten. Robert Miller ist ein
äußerst zurückhaltender, um nicht zu sagen schwieriger Mensch. Seit
seine Frau ihn verlassen hat, lebt er ganz zurückgezogen in seinem kleinen
Cottage. Er hat sein ganzes Herz an seinen kleinen Hund gehängt ... Rocky«,
fabulierte ich.
»Oh«, sagte
sie. »Wie traurig.«
Ich nickte
bekümmert.
»Ja, wirklich
sehr traurig. Robert war immer schon ein wenig speziell, aber jetzt ...« Ich
seufzte tief und überzeugend. »Wir versuchen gerade, ihn für eine Geschichte
mit dem Figaro nach Paris zu holen, aber ich habe wenig Hoffnung.«
»Merkwürdig,
das hätte ich nie gedacht. Sein Roman ist so ... so lebensbejahend und humorvoll«,
sagte sie nachdenklich. »Haben Sie Monsieur Miller denn einmal persönlich
kennengelernt?« Sie sah mich zum erstenmal voller Interesse an.
»Nun ...« Ich
räusperte mich bedeutungsvoll. »Ich glaube sagen zu können, daß ich
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