Das Lächeln der Frauen
ich Ihren Brief an Robert Miller
weitergeleitet - ich habe ihn sogar mit dem Vermerk »Eilt« in die Post getan,
damit Ihre Geduld nicht über die Maßen strapaziert wird. Denken Sie nicht so
schlecht von mir! Wenn Sie mich für einen komischen Kauz halten, kann ich Ihnen
das nicht verübeln - an dem Tag, als Sie so überraschend im Verlag
auftauchten, sind ziemlich unerfreuliche Dinge passiert, und es tut mir leid,
wenn der Eindruck entstanden sein sollte, daß ich Sie irgendwie davon abhalten
möchte, mit Monsieur Miller in Kontakt zu treten. Er ist ein wunderbarer Autor,
und ich schätze ihn sehr, aber er ist auch ein ziemlich eigenwilliger Mann, der
sehr zurückgezogen lebt. Ich bin mir wirklich nicht so sicher wie Sie, ob er
Ihren Brief beantworten wird, aber ich wünsche es Ihnen. So einen schönen Brief
kann man eigentlich nicht unbeantwortet lassen.
Den letzten Satz löschte ich
wieder. Ob der Brief schön war, konnte ich ja gar nicht wissen. Schließlich
hatte ich ihn nur weitergeleitet. Ich mußte wirklich aufpassen, daß ich mich
nicht verriet. Stattdessen schrieb ich:
Wäre ich der Autor, ich würde Ihnen zurückschreiben, aber
das wird Ihnen kaum nützen. Zu schade, daß Monsieur Miller nicht sehen kann,
was für eine schöne Leserin ihm da schreibt. Sie hätten ein Photo von sich
beilegen sollen!
Diese kleine Anspielung konnte
ich mir einfach nicht verkneifen.
Doch nun zu Ihren weiteren Fragen:
1. Leider hat Robert Miller keine Internetseite. Er ist,
wie ich bereits erwähnte, ein eher privater Mensch und hält nicht soviel davon,
sich im Web zu verewigen. Wir hatten schon Schwierigkeiten, überhaupt ein
Autorenphoto von ihm zu bekommen. Im Gegensatz zu den meisten Autoren schätzt
er es überhaupt nicht, auf der Straße angesprochen zu werden. Nichts haßt er
mehr, als wenn jemand plötzlich vor ihm steht und sagt: »Sind Sie nicht Robert
Miller?«
2. Es gibt in der Tat keine englische Verlagsausgabe. Warum
das so ist, das ist eine längere Geschichte, mit der ich Sie jetzt nicht
langweilen will. Nur soviel: Der Agent, der Robert Miller vertritt, auch ein Engländer,
den ich sehr gut kenne, ist direkt mit dem Manuskript an unseren Verlag
herangetreten, und wir haben es übersetzen lassen. In einem englischen Verlag
ist es bisher nicht erschienen. Mag sein, daß die Geschichte für ein englisches
Publikum nicht so geeignet ist oder auf dem englischen Markt derzeit andere Themen
gefragt sind.
3. Es ist derzeit nicht sicher, ob Monsieur Miller in
nächster Zeit für Presseaktivitäten zur Verfügung steht, im Moment sieht
es eher nicht danach aus.
Das war glatt gelogen und doch
auch wieder nicht. In Wirklichkeit würde ja nur ein Zahnarzt zur Lesung nach
Paris kommen und als Miller ein paar Fragen beantworten und ein paar Bücher
signieren.
Es war ein ziemlicher Schlag für ihn, daß seine Frau ihn
verlassen hat, und seither ist er sehr schwankend in seinen Entscheidungen.
Sollte er jedoch irgendwann zu einer Lesung nach Paris kommen, ist es mir ein
Vergnügen, Ihnen eine - oder besser gesagt zwei - Karten zu reservieren.
Ich hielt einen Moment inne und
überflog meinen Brief. Es klang alles sehr glaubwürdig und souverän, fand ich.
Und vor allem war das Ganze kein bißchen unfreundlich. Und dann warf ich
meinen ersten Köder aus:
Liebe Mademoiselle Bredin, ich hoffe, damit Ihre Fragen
beantwortet zu haben. Ich würde Ihnen wirklich gerne mehr helfen, aber Sie
werden verstehen, daß ich mich über die Wünsche (und Rechte) unseres Autors
nicht einfach hinwegsetzen kann. Allerdings (und wenn Sie mir versprechen, es
nicht an die große Glocke zu hängen) ließe sich vielleicht etwas Informelleres
arrangieren.
Wie es der Zufall will, treffe ich Robert Miller am
kommenden Freitag, um mit ihm über sein neues Buch zu sprechen. Es war eine
ganz spontane Idee - er hat an diesem Tag in Paris zu tun und nicht sehr
viel Zeit, aber wir werden uns zum Abendessen sehen. Wenn Sie mögen und es sich
zeitlich einrichten können, könnten Sie vielleicht am Anfang ganz zufällig
vorbeikommen und auf einen Drink dazustoßen und hätten auf diese Weise die
Gelegenheit, Ihrem Lieblingsautor wenigstens einmal persönlich die Hand zu
schütteln.
Es ist das beste Angebot, das ich Ihnen zur Zeit machen
kann, und ich mache es auch nur, damit Sie mir nicht noch mehr beleidigte Mails
schreiben.
Nun - was sagen Sie?
Es war das beste unmoralische Angebot,
das ich ihr
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