Das Lächeln der Frauen
Gutes. Ohne den weiteren Brief zu kennen,
hatte ich das ungute Gefühl, die Fragen von Mademoiselle Bredin nicht
zufriedenstellend beantworten zu können.
Sehr geehrter Monsieur Chabanais,
heute ist Montag und seit unserem Zusammentreffen in
Ihrem Verlag sind einige Tage vergangen. Ich hoffe doch sehr, daß Sie
inzwischen meinen Brief an Robert Miller weitergeleitet haben, und auch wenn
Sie mir wenig Hoffnung gemacht haben, bin ich ganz zuversichtlich, daß ich eine
Antwort erhalten werde. Es gehört wahrscheinlich zu den Aufgaben eines Lektors,
seinen Autor vor hartnäckigen Bewunderern abzuschirmen, aber vielleicht nehmen
Sie Ihre Aufgabe ein bißchen zu ernst? Wie auch immer, ich danke Ihnen für Ihre
Mühe und habe heute ein paar Fragen, die Sie mir sicher beantworten können.
1. Hat Robert Miller so etwas wie eine Internetseite?
Leider konnte ich im Netz gar nichts dazu finden.
2. Ich habe auch vergeblich nach der englischen
Originalausgabe gesucht und konnte seltsamerweise keine finde. Bei welchem
Verlag ist Millers Roman in England erschienen? Und wie lautet der englische
Titel? Wenn man den Namen Robert Miller bei amazon. uk eingibt, steht da nur
ein Eintrag zu der französischen Ausgabe. Das Buch ist doch aber eine Übersetzung
aus dem Englischen, oder? Es ist zumindest der Name eines Übersetzers
angegeben.
3. Sie erwähnten bei unserem ersten Telefonat, daß der
Autor möglicherweise in der nächsten Zeit zu einer Lesung nach Paris kommt. Da
wäre ich natürlich sehr gern dabei - steht schon ein Termin fest? Wenn möglich
würde ich schon jetzt zwei Karten vorbestellen.
In der Hoffnung, daß ich Ihre wertvolle Zeit nicht
übermäßig in Anspruch nehme, verbleibe ich in Erwartung einer baldigen Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Aurélie Bredin
Ich griff nach den Zigaretten und
ließ mich schwer in den Sessel zurückfallen. Mon Dieu, Aurélie Bredin
wollte es aber genau wissen. Verdammt, sie war ganz schön hartnäckig! Ich mußte
sie irgendwie in ihrer investigativen Mission stoppen. Besonders die beiden
letzten Punkte bereiteten mir Bauchschmerzen.
Ich wollte mir
lieber nicht vorstellen, was alles passieren konnte, wenn die enthusiasmierte
Mademoiselle Bredin auf den völlig unbedarften Robert Miller a.k.a. (also
known as - wie es immer so schön heißt) Samuel Goldberg stieß und womöglich
persönlich mit ihm reden konnte!
Aber die
Wahrscheinlichkeit, daß die schöne Köchin von der geplanten Lesung erfuhr, war
verschwindend gering. Ich würde es ihr jedenfalls nicht erzählen. Und da das
Interview im Figaro ja frühestens am Tag danach erscheinen konnte,
lauerte auch von dieser Seite keine Gefahr. Dann war leider schon alles
gelaufen, und falls sie den Artikel entdeckte oder im nachhinein von der Lesung
erfuhr, konnte ich mir immer noch etwas einfallen lassen.
(Die Tatsache,
daß Mademoiselle Bredin zwei Karten haben wollte, war mir unangenehm aufgefallen.
Weshalb benötigte sie zwei Karten? Es konnte doch nicht sein, daß sie schon
wieder einen neuen Verehrer hatte, wo der schlimmste Liebeskummer gerade überstanden
war. Wenn überhaupt, sollte sie sich von mir trösten lassen.)
Ich zündete
mir die nächste Zigarette an und überlegte weiter.
Punkt zwei,
nämlich die Frage nach der Originalausgabe, war da schon wesentlich heikler,
denn es gab ja gar keine englische Version und noch weniger einen
englischen Verlag. Ich würde mir eine zufriedenstellende Antwort überlegen
müssen. Nicht daß Mademoiselle Bredin noch auf die Idee kam, den
(nicht-existenten) Übersetzer ausfindig machen zu wollen. Im Internet würde sie
auch über diesen Herrn nichts finden. Aber was war, wenn sie im Verlag anrief
und Staub aufwirbelte? Am besten setzte ich den Übersetzer auch gleich auf
meine Todesliste. Man durfte die Energie dieser zarten Person nicht
unterschätzen. So wild entschlossen, wie sie war, würde sie am Ende noch an
Monsieur Monsignac herantreten.
Ich druckte
mir die E-Mail aus, um sie mit nach Hause zu nehmen. Dort konnte ich in Ruhe
überlegen, was zu tun war.
Das Papier
kroch aus dem leise ratternden Drucker, und ich beugte mich vor und nahm es an
mich. Nun hatte ich schon zwei Briefe von Aurélie Bredin. Doch das hier war
kein sehr netter Brief.
Noch einmal
überflog ich die gedruckten Zeilen und versuchte ein gutes Wort für André
Chabanais zu finden. Ich fand keines. Die junge Dame konnte ganz schön spitzzüngig
sein. Zwischen den Zeilen las man deutlich,
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