Das Lächeln der Frauen
was sie von dem Lektor hielt, mit
dem sie vor einer Woche auf den Fluren des Verlags zusammengetroffen war:
nichts! Ich hatte offenbar keinen großen Eindruck auf Aurélie Bredin gemacht.
Ein bißchen
mehr Dankbarkeit hätte ich mir schon erwartet. Vor allem wenn man bedachte, daß
eigentlich ich und mein Buch es waren, die Mademoiselle an ihrem persönlichen
Tiefpunkt wieder glücklich gemacht hatten. Es war mein Humor, der sie
zum Lachen gebracht hatte. Es waren meine Ideen, die sie bezaubert
hatten.
Ja, ich gebe
zu, es tat mir schon ein bißchen weh, daß ich mit kargen, ja fast schon
unfreundlichen Worten und »freundlichen Grüßen« abgefertigt wurde, während mein Alter ego so charmant umworben und aufs allerherzlichste verabschiedet
wurde.
Grimmig nahm
ich einen Zug aus meiner Zigarette. Es wurde Zeit, Phase zwei einzuläuten und
Mademoiselle Bredins Begeisterung auf die richtige Person umzuleiten.
Natürlich war
mein Auftritt auf dem Flur auch nicht gerade das gewesen, was die Phantasie einer
Frau beflügelte. Ich hatte geschwiegen, gestottert, gestarrt. Und zuvor, am
Telefon war ich ungeduldig, ja unfreundlich gewesen. Kein Wunder, daß
das Mädchen mit den grünen Augen mich keines Blickes würdigte.
Gut, ich war
nicht so ein smarter Typ wie dieser Zahnarzt auf dem Autorenphoto. Aber
schlecht sehe ich nun auch nicht gerade aus. Ich bin groß, stattlich und habe,
obwohl ich in den letzten Jahren kaum noch Sport getrieben habe, einen
durchtrainierten Körper. Ich habe dunkelbraune Augen, braunes volles Haar, eine
gerade Nase, und meine Ohren stehen auch nicht ab. Und der dezente Bart, den
ich seit ein paar Jahren trage, hatte lediglich Maman nicht gefallen.
Alle anderen Frauen fanden ihn »männlich«. Immerhin hatte Mademoiselle Mirabeau
mich neulich noch mit dem Verleger aus dem Film Das Rußlandhaus verglichen.
Ich strich mit
dem Finger über die kleine nackte Bronzestatue der Daphne, die auf meinem
Schreibtisch stand. Was ich brauchte, und zwar sehr bald, war eine Chance, mich
Aurélie Bredin von meiner Schokoladenseite zu präsentieren.
Zwei Stunden später war ich in
meiner Wohnung und umkreiste meinen Wohnzimmertisch, auf dem ein
handgeschriebener Brief und eine ausgedruckte Mail in friedlicher Eintracht
nebeneinander lagen. Draußen fegte ein unfreundlicher Wind durch die Straßen,
und es hatte angefangen zu regnen. Ich sah hinunter auf die Straße, wo eine
alte Frau mit ihrem Regenschirm kämpfte, der umzuschlagen drohte, und zwei
Verliebte sich an der Hand faßten und zu laufen begannen, um sich in ein Café
zu flüchten.
Ich knipste
die beiden Schirmlampen an, die rechts und links auf der Kommode unter dem
Fenster standen und schob eine CD von Paris Combo in meine Anlage. Das
erste Lied erklang, ein paar rhythmische Gitarrenklänge und eine sanfte
Frauenstimme erfüllten das Zimmer.
»O'n na pas besoin, non non non non, de cherchersi loin ... On
trouve ce qu'on veut a coté de chez soi ...«, sang die Sängerin und ich
lauschte ihren süßen Worten wie einer Offenbarung. Man mußte nicht immer so
weit weg suchen, man fand das, was man wollte, gleich nebenan.
Plötzlich
wußte ich, was ich zu tun hatte. Ich hatte zwei Briefe bekommen. Ich würde zwei
Briefe schreiben. Einen als André Chabanais. Und einen als Robert Miller. Die
Antwortmail des Lektors würde Aurélie Bredin noch heute abend in ihrer Mailbox
finden. Und den Brief von Robert Miller würde ich ihr am Mittwoch persönlich in
den Briefkasten werfen, weil der zerstreute Autor den Umschlag mit ihrem
Absender bedauerlicherweise weggeworfen und das Antwortschreiben an mich
geschickt hatte, damit ich es weitergeben konnte.
Ich würde zwei
Köder auswerfen, und das Gute an der Sache war, daß ich in beiden Fällen der
Mann an der Angel war. Und wenn mein Plan aufging, würde Mademoiselle Bredin am
Freitagabend in der Coupole sitzen und einen sehr netten Abend mit
Monsieur Chabanais verbringen.
Ich holte mein
Notebook aus dem Arbeitszimmer und klappte es auf. Dann gab ich die
E-Mail-Adresse von Aurélie Bredin ein und legte den Ausdruck neben mich.
Betreff: Antworten zu Robert Miller!!!
Chère Mademoiselle Bredin,
nachdem wir uns ja nun doch schon ein wenig kennen, würde
ich gerne auf das sehr förmliche »Sehr geehrte Mademoiselle Bredin« verzichten
und hoffe, daß Sie damit einverstanden sind.
Zunächst zu Ihrer dringendsten Frage, wenngleich sie
nicht direkt ausgesprochen wurde:
Selbstverständlich habe
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