Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
angespannt, und ich machte Anstalten, mich auch umzudrehen.
    »Nicht
umdrehen!« zischte Bernadette und faßte mich am Arm, aber da war es schon zu
spät.
    In der Mitte
des La Palette, dort, wo der Durchgang zum hinteren Teil des Bistros
war, in dem wir saßen, stand Claude und wartete auf einen Tisch am Fenster, an
dem der Kellner gerade kassierte. Er hatte den Arm zärtlich um eine junge Frau
gelegt, die mit ihren kinnlangen schwarzen Haaren und den rosigen Wangen aussah
wie eine mongolische Prinzessin. Sie trug einen taillierten Mantel aus rotem
Filz, der an den Ärmeln und am Saum in winzigen Fransen endete. Und sie war
unübersehbar schwanger.
     
    Ich heulte auf dem ganzen Weg
nach Hause. Bernadette saß neben mir im Taxi, hielt mich fest im Arm und
reichte mir stumm ein Taschentuch nach dem anderen.
    »Und weißt du,
was das Schlimmste ist?« schluchzte ich, als Bernadette sich später neben mich
auf das Bett setzte und mir eine heiße Milch mit Honig hinhielt. »Diesen roten
Mantel ... den hatten wir neulich zusammen noch in einem Schaufenster gesehen,
in der Rue du Bac, und ich hab gesagt, den wünsche ich mir zum Geburtstag.«
    Der Verrat
schmerzte am meisten. Die Lügen. Ich zählte die Monate an den Fingern ab und
kam zu dem Schluß, daß Claude mich schon seit einem halben Jahr betrogen hatte.
Verdammt, er hatte so glücklich ausgesehen, wie er da stand mit seiner
Mongolenprinzessin, die die Hand auf ihren kleinen Bauch legte.
    Wir hatten
gewartet, bis die beiden am Fenster Platz genommen hatten. Dann waren wir rasch
hinausgegangen. Aber Claude hätte mich auch so nicht gesehen. Er hatte nur
Augen für sein Schneewittchen.
    »Ach, Aurélie,
es tut mir so leid. Du warst doch eigentlich schon drüber weg. Und nun das! Das
ist wie in einem schlechten Roman.«
    »Er hätte ihr
nicht diesen Mantel schenken dürfen. Es ist ... es ist so herzlos.« Ich sah
Bernadette verwundet an. »Diese Frau steht da, in meinem Mantel, und ist
so ... so glücklich! Und ich habe bald Geburtstag, und ich bin ganz allein und
der Mantel ist auch weg. Das ist doch total ungerecht.«
    Bernadette strich
mir sanft übers Haar. »Nun trink mal einen Schluck Milch«, sagte sie. »Natürlich
ist das ungerecht. Und schlimm. So etwas darf eigentlich nicht passieren, aber
die Dinge laufen nun mal nicht immer nach Plan. Und eigentlich geht es doch gar
nicht um Claude, oder?«
    Ich schüttelte
den Kopf und trank einen Schluck Milch. Bernadette hatte recht, es ging gar
nicht um Claude, sondern um etwas, das am Ende immer unsere Seelen berührt, die
Liebe zu einem Menschen, nach der wir uns alle sehnen, nach der wir unser Leben
lang die Hände ausstrecken, um sie zu berühren und zu halten.
    Bernadette sah
nachdenklich aus. »Du weißt, daß ich nie sehr viel von Claude gehalten habe«,
sagte sie. »Aber vielleicht hat er ja wirklich die Frau seines Lebens gefunden.
Vielleicht wollte er es dir schon länger sagen und hat auf einen geeigneten
Moment gewartet. Der natürlich niemals kommt. Und dann starb dein Vater. Und da
war es noch schwerer, und er wollte dich nicht gerade in dieser Situation
verlassen.« Sie verzog den Mund, wie sie es immer tat, wenn sie überlegte.
»Könnte doch sein.«
    »Aber der
Mantel«, beharrte ich.
    »Der Mantel,
das ist unverzeihlich«, sagte sie. »Da müssen wir uns etwas überlegen.« Sie
beugte sich über mich und gab mir einen Kuß. »Jetzt versuch zu schlafen, es ist
schon spät.« Sie stieß ihren Zeigefinger in meine Bettdecke. »Und du bist nicht
allein, hörst du? Irgendwer wacht immer über dich - und wenn es deine alte
Freundin Bernadette ist.«
    Ich lauschte
auf ihre Schritte, die sich langsam entfernten. Sie hatte so einen festen und
zuverlässigen Tritt.
    »Gute Nacht,
Aurélie!« rief sie noch einmal, und die Holzbohlen im Flur knarrten. Dann löschte
sie das Licht, und ich hörte, wie die Tür leise hinter ihr ins Schloß fiel.
    »Gute Nacht,
Bernadette«, flüsterte ich. »Ich bin froh, daß es dich gibt.«
     
    Ich weiß nicht, ob es an der
heißen Milch mit Honig lag, aber ich schlief erstaunlich gut in dieser Nacht.
Als ich aufwachte, schien zum erstenmal seit Tagen die Sonne in mein Schlafzimmer.
Ich stand auf und zog die Vorhänge zurück. Ein klarer blauer Himmel überspannte
Paris oder zumindest den kleinen rechteckigen Ausschnitt, den die Hofmauern
freigaben und den ich von meinem Balkonfenster aus sehen konnte.
    Man sieht
immer nur einen kleinen Ausschnitt, dachte ich, als ich mir das

Weitere Kostenlose Bücher