Das Lächeln der Frauen
Frühstück
zubereitete. Ich hätte mir gewünscht, einmal das Ganze zu sehen.
Gestern abend,
als ich Claude mit seiner schwangeren Freundin sah und das Bild wie ein Stich
durch mein Herz ging, hatte ich gemeint, die ganze Wahrheit zu sehen. Und doch
war es nur meine Wahrheit, meine Sicht auf die Dinge. Claudes Wahrheit
war eine andere. Und die Wahrheit von der Frau im roten Mantel war wieder eine
andere.
Konnte man
irgendeinen Menschen in seinem tiefsten Inneren verstehen? Was ihn bewegte, was
ihn antrieb, wovon er wirklich träumte?
Ich räumte das
Geschirr in die Spüle und ließ Wasser darüberlaufen.
Claude hatte
mich belogen, aber vielleicht hatte ich mich auch belügen lassen. Ich hatte nie
gefragt. Manchmal lebt man besser mit der Lüge als mit der Wahrheit.
Claude und ich
hatten nie wirklich über die Zukunft gesprochen. Er hatte nie zu mir gesagt:
»Ich will ein Kind von dir.« Und ich hatte es auch nicht gesagt. Wir waren eine
kurze Strecke des Weges zusammen gegangen. Es hatte schöne Momente gegeben und
weniger schöne. Und es war unsinnig, in Herzensangelegenheiten Gerechtigkeit
einzufordern.
Die Liebe war,
was sie war. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich trocknete
mir die Hände ab. Dann ging ich zur Kommode im Flur und öffnete die Schublade.
Ich zog das Photo von Claude und mir heraus und sah es noch einmal an. »Ich
wünsch dir Glück«, sagte ich, und dann nahm ich das Bild und legte es in die
alte Zigarrenkiste, in der ich meine Erinnerungen aufbewahre.
Bevor ich das
Haus verließ, um auf dem Markt und beim Metzger meine Einkäufe zu machen, ging
ich hin- über ins Schlafzimmer und heftete einen neuen Zettel an meine
Gedankenwand.
Über die Liebe, wenn sie
vorbei ist
Die Liebe, wenn sie vorbei
ist, ist immer traurig.
Sie ist selten großherzig.
Der, der verläßt, hat ein
schlechtes Gewissen.
Der, der verlassen wird, leckt
seine Wunden.
Das Scheitern schmerzt fast
mehr noch als das Auseinandergehen.
Doch am Ende ist jeder das,
was er immer schon war.
Und manchmal bleibt ein Lied,
ein Blatt Papier mit zwei Herzen,
Die zärtliche Erinnerung an
einen Sommertag.
8
Als der Anruf kam, war ich gerade
dabei, einer sehr beleidigten Mademoiselle Mirabeau Abbitte zu leisten.
Bereits
während der Konferenz war mir aufgefallen, daß die sonst so reizende
Lektoratsassistentin mich keines Blickes würdigte, und auch als ich mich ins
Zeug legte und so witzig über ein Buch sprach, daß sogar die hoheitsvolle
Michelle Auteuil vor Lachen fast vom Stuhl fiel, verzog das blonde Mädchen
keine Miene. Alle meine Versuche, sie nach der Konferenz, als ich auf dem Flur
neben ihr herging, zum Sprechen zu bringen, scheiterten. Sie sagte »Ja« und
»Nein«, und mehr war nicht aus ihr herauszubringen.
»Kommen Sie
doch bitte noch kurz in mein Büro«, sagte ich, als wir am Sekretariat angelangt
waren.
Sie nickte und
folgte mir schweigend.
»Bitte«, ich
wies auf einen der Stühle, die an einem kleinen runden Besprechungstisch
standen. »Setzen Sie sich doch.«
Mademoiselle
Mirabeau nahm Platz wie eine beleidigte Comtesse. Sie verschränkte die Arme,
schlug die Beine übereinander, und ich konnte nicht umhin, die hellen, netzartigen
Seidenstrümpfe zu bewundern, die sie unter ihrem kurzen Rock trug.
»Nun«, sagte
ich jovial. »Wo drückt der Schuh, heraus mit der Sprache. Was ist los?«
»Nichts«,
sagte sie und sah auf das Parkett, als ob es dort etwas ganz Tolles zu
entdecken gäbe.
Es war
schlimmer, als ich befürchtet hatte. Wenn Frauen behaupteten, es wäre »nichts«,
dann waren sie richtig sauer.
»Hm«, sagte
ich. »Sind Sie da sicher?«
»Ja«, sagte
sie. Offenbar hatte sie sich entschlossen, mit mir nur noch in Einwortsätzen zu
sprechen.
»Wissen Sie
was, Mademoiselle Mirabeau?«
»Nein.«
»Ich glaube
Ihnen kein Wort.«
Florence
Mirabeau schenkte mir nur einen kurzen Blick, bevor sie sich wieder dem Parkett
zuwandte.
»Kommen Sie,
Mademoiselle Mirabeau, seien Sie nicht grausam. Sagen Sie dem alten André
Chabanais, warum Sie so beleidigt sind, sonst kann ich heute nacht nicht schlafen.«
Ich merkte,
daß sie ein Lächeln unterdrückte.
»So alt sind
Sie gar nicht«, entgegnete sie. »Und wenn Sie nicht schlafen können, geschieht
Ihnen das ganz recht.« Sie zupfte an ihrem Rock herum, und ich wartete. »Sie
haben gesagt, ich soll nicht so blöd gucken!« brach es schließlich aus ihr
heraus.
»Das soll ich
zu Ihnen gesagt haben? Das ist ja ... das ist ja ungeheuerlich«,
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