Das Lächeln der Frauen
der im
Gegensatz zu seiner Tochter sehr viel gelesen hatte. Auf Regen folgt
Sonnenschein - wie weise er doch gewesen war!
Ich stand auf
dem Friedhof Pere Lachaise, über mir trieben in schneller Folge weiße Wolken am
Himmel, und wenn die Sonne zum Vorschein kam, wärmte sie sogar ein wenig. Seit
Allerheiligen war ich nicht mehr an Papas Grab gewesen, aber heute hatte ich
das starke Bedürfnis gehabt, hierherzukommen.
Ich trat einen
Schritt zurück und legte den bunten Strauß aus Astern und Chrysanthemen auf die
dafür vorgesehene quadratische Steinplatte des mit Efeu bewachsenen Grabes.
»Du kannst dir
gar nicht vorstellen, was alles passiert ist, Papa«, sagte ich. »Du würdest staunen.«
Die Woche
hatte so unglücklich begonnen, und nun stand ich hier auf dem Friedhof und war
auf eine seltsame Weise glücklich und aufgeregt. Und vor allem war ich sehr
gespannt auf den morgigen Abend.
Die Sonne, die
nach dem regnerischen und trüben Wetter der letzten Zeit am Dienstag so heiter
in mein Schlafzimmer schien, war wie ein Vorbote gewesen. Mit einemmal hatte
sich alles zum Guten gewendet.
Nachdem ich am
Dienstag meine Einkäufe im Restaurant abgeladen, mit Jacquie drei mögliche
vorweihnachtliche Menus durchgesprochen und dann doch noch einige Male an den
roten Mantel und seine Trägerin gedacht hatte, war ich am Nachmittag noch
einmal nach Hause gegangen und hatte mir vorgenommen, diesen nicht gerade
glanzvollen Tag in meinem Leben mit einer ebensowenig glanzvollen Tätigkeit zu
füllen, bis ich abends wieder ins Restaurant zurückkehren würde.
Ich setzte
mich also an meinen Computer und machte mich daran, einen Stapel längst
überfälliger Rechnungen auf elektronischem Wege zu überweisen.
Vorher jedoch
warf ich einen kurzen Blick in meine Mails und fand einen sehr freundlichen,
ja, man kann sagen durchaus charmanten Brief von André Chabanais vor, der darin
nicht nur alle meine Fragen beantwortete, sondern mir zu meiner großen
Überraschung einen Vorschlag machte, der mich sofort in freudige Aufregung
versetzte:
Ich hatte die
Gelegenheit, Robert Miller, wenn auch nur kurz, kennenzulernen, denn Monsieur
Chabanais traf sich mit dem Autor und lud mich ein, zufällig dazuzukommen.
Natürlich nahm
ich das Angebot an, und im Gegensatz zu meinem ersten Telefonat mit dem
bärtigen Cheflektor war dieses Gespräch sehr lustig und fast schon ein kleiner
Flirt, der mir in meiner Verfassung irgendwie gut tat.
Als ich
Bernadette davon berichtete, zog sie mich natürlich sofort auf und meinte, daß
dieser Lektor ihr immer besser gefiele, und wenn sich herausstellen würde, daß
der Autor am Ende doch nicht ganz so wunderbar sein sollte wie sein Roman,
hätte ich ja noch eine Option.
»Du bist
unmöglich, Bernadette«, sagte ich. »Immer willst du mich mit irgendwelchen Männern
verkuppeln. Wenn überhaupt, nehme ich gleich den Autor - der sieht erstens
besser aus und ist schließlich derjenige, der das Buch geschrieben hat, schon
vergessen?«
»Ist dieser
Mann denn häßlich wie die Nacht?« wollte Bernadette wissen.
»Was weiß
ich?« entgegnete ich. »Nein, wahrscheinlich nicht, ich hab nicht so genau hingeguckt.
André Chabanais interessiert mich nicht. Außerdem hat er einen Bart.«
»Was ist daran
so schlimm?«
»Jetzt hör auf
damit, Bernadette! Du weißt, daß Männer mit Bart nicht mein Ding sind. Die
würdige ich grundsätzlich keines Blickes.«
»Ein Fehler!«
warf Bernadette ein.
»Außerdem
suche ich keinen Mann. Ich suche keinen Mann, hörst du? Ich will einfach nur
die Möglichkeit haben, mit diesem Schriftsteller zu sprechen - aus den dir
bereits bekannten Gründen. Und weil ich ihm sehr dankbar bin.«
»Oh, göttliche
Vorhersehung, schicksalhafte Verstrickungen, wohin man schaut ...« Bernadette
klang wie der Chor einer griechischen Tragödie.
»Genau«, sagte
ich. »Du wirst schon sehen.«
Noch am gleichen Abend hatte ich
Jacquie gesagt, daß ich am Freitag nicht ins Restaurant kommen könnte. Ich
hatte Juliette Meunier angerufen, eine sehr gute und professionelle Servicekraft,
die früher im Restaurant des Lutetia Chefkellnerin gewesen war und mich
schon ein paarmal vertreten hatte. Sie studierte inzwischen Innenarchitektur
und arbeitete nur noch stundenweise im Service. Glücklicherweise hatte sie noch
nichts vor und sagte mir zu.
Jacquie war
natürlich nicht erbaut. »Muß das sein? An einem Freitag? Und gerade jetzt, wo
Paul krank ist«, schimpfte er, während er mit Töpfen und
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