Das Lächeln der Frauen
mal kapieren, wie die Branche tickt, André: Der Erfolg
gibt dir immer recht. Also ich finde, Robert Miller sollte unbedingt
weiterschreiben.«
»Nur
über meine Leiche«, entgegnete ich. »Ich finde, nur ein toter Autor ist ein
guter Autor.«
»Hi,
fellows«, sagte Samuel Goldberg. »Sprekt ihr etwa uber mich?«
Sam
Goldberg war unbemerkt zur Tür hereingekommen und hatte den letzten Teil
unserer hitzigen Diskussion wohl noch gehört. Da stand nun also mein Alter
ego in einem dunkelblauen Dufflecoat und einer Kappe im Schottenkaro und
war beladen mit kleinen Plastiktüten mit Eiffeltürmen und pastellfarbenen
Schachteln aus der Confiserie Ladurée.
Ich
musterte ihn neugierig. Er hatte kurze blonde Haare und blaue Augen wie sein
Bruder. Leider sah er wirklich so gut aus wie auf dem Photo. Und obwohl er um
die Vierzig sein mußte, hatte er diese jungenhafte Ausstrahlung, die manche
Männer nie verlieren, egal wie alt sie werden. Daran änderte auch der Bart
nichts - vor allem, wenn er wie jetzt dieses verschmitzte Brad-Pitt-Lächeln
aufsetzte.
»Hi,
Sam, wo steckst du denn die ganze Zeit?« Adam war aufgestanden und begrüßte
seinen Bruder mit einem freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. »Wir dachten
schon, du hättest dich verlaufen.«
Sam
grinste und eine Reihe blendend weißer Zähne wurde sichtbar. In seinem Beruf
wirkte er sicher sehr glaubwürdig, ich konnte nur hoffen, daß er auch als Autor
überzeugend war.
»Shopping«,
erklärte er und mir fiel auf, daß seine Stimme ganz ähnlich klang wie die
seines Bruders. »Ich müsste versprekken, die Familie etwas mitzubringen. Oh
dear, und die Schlange bei diesem Ladurée war so long! Ich
fuhlte mir schon ganz zu Hause.« Er lachte. »So viele Japanese people und
alle wollen Tortchen kaufen und diese bunte Dinger.« Er wies auf die Schachteln
mit den Macarons. »Sind die wirklich so lecker?«
»Das.
ist André«, stellte Adam mich vor, und Sam schüttelte mir die Hand. »Schon Sie
zu sehen«, sagte er und strahlte mich an. »Ich habe schon so viel von
Sie gehört.« Er hatte einen kräftigen Händedruck.
»Ich
hoffe, nur Gutes«, entgegnete ich etwas verkrampft. Die alten Floskeln. »Vielen
Dank, daß Sie nach Paris gekommen sind, Sam. Sie helfen uns wirklich aus der Patsche.«
»Oh, yes!« Er schmunzelte und nickte. »Aus der Pätsche«, wiederholte er. »Ja,
ja. Adam hat mir alles gesprochen. Ihr beiden habt da eine tolle Ding gedreht,
was? Ich muss sagen, ich war sehr überrascht, daß ich eine Blich geschrieben
hätte.« Er zwinkerte mir zu. »Glucklicherweise habe ich eine gute Humor.«
Ich
nickte erleichtert. Adam hatte offenbar gute Arbeit geleistet. Wenn sich sein
Bruder zunächst auch aufgeregt haben mochte, als dieses unerwartete Projekt an
ihn herangetragen wurde - jetzt wirkte er jedenfalls ganz entspannt.
»Wir
sind ja jetzt so was wie ... wie sagt man? ... Brüder in die Geiste?« fuhr er
fort. » Well, ich hoffe, daß alles gut fonktionieren wird mit unsere
kleine Kompott.«
Wir
lachten alle drei. Dann setzten wir uns, und mein Bruder im Geiste bestellte
sich einen Tee mit Milch und eine Apfeltarte und sah sich im Café Les
Éditeurs um. »Lovely place«, meinte er anerkennend.
In
den nächsten zwei Stunden, die wir damit verbrachten, Sam Goldberg auf seine
neue Identität einzuschwören, stellte sich heraus, daß Adams Bruder ein wahrer
Gemütsmensch war, dessen affirmativer Grundcharakter vor allem in zwei Wörtern
seinen Ausdruck fand: lovely und sexy.
Lovely waren die Stadt Paris, die beleuchteten goldenen Eiffeltürme aus Plastik
für seine Kinder, die zarte aux pommes, die er zum Tee aß und in
zierliche Stücke zerlegte, und mein Buch, von dem er zwar nur das erste Kapitel
gelesen hatte, dessen Inhalt ihm aber von Adam en détail erzählt worden
war.
Sexy waren die Kellnerinnen im Les Éditeurs, die Bücherregale an der
Wand, Adams Vorschlag, ihm abends das Moulin Rouge zu zeigen, das alte
schwarze Telefon aus Bakelit, das an der Rezeption seines Hotels stand, und
erstaunlicherweise auch meine uralte Rolex-Uhr (sie stammte von meinem Vater
und aus einer Zeit, als Rolex-Uhren noch Lederarmbänder hatten und im Design
deutlich zurückhaltender waren als heute).
Erleichtert
nahm ich zur Kenntnis, daß Sams Französisch besser war, als ich es erwartet
hatte. In der Regel spricht ein Engländer nämlich Englisch und sonst nichts,
aber da die beiden Goldberg-Brüder als Kinder ihre Sommerferien oft bei einem
Onkel in
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