Das Lächeln der Frauen
würde schon einer von uns einspringen.
Wichtig
war, daß er die folgenden Punkte beherzigte, die wir immer wieder durchkauten:
Er lebte allein in seinem Cottage. Als Ort hatten wir uns auf das
malerische Tunbridge Wells verständigt. (»Lovely place«, sagte Sam und:
»Wie traurig, daß ich keine family haben darf.«)
Sein
Hund Rocky war ein Yorkshire-Terrier und kein Golden Retriever, wie Sam
zunächst fälschlicherweise sagte, und Rocky war jetzt in der Obhut eines netten
Nachbarn.
Auf
die Frage, ob sein Buch autobiographische Bezüge hätte, sollte er antworten:
»Ach, wissen Sie, jedes Buch ist irgendwo autobiographisch. Natürlich gibt es
Dinge darin, die ich selbst erlebt habe, andere habe ich auch nur gehört oder
sie sind frei erfunden.«
Nach
Paris war er früher sehr oft gekommen, als er noch für die Autofirma gearbeitet
hatte, aber im Moment brauchte er viel Ruhe und Natur, und er schätzte sein
abgelegenes Cottage.
Eine
Journalistenreise zu seinem Domizil war für ihn der größte Horror. (Dies zur
Vorsicht, falls er in die Hände von Michelle Auteuil fiel.)
Er
war kein Partylöwe.
Er
liebte die französische Küche.
Ein
zweiter Paris-Roman sei angedacht, aber das würde noch eine ganze Weile dauern
(keine (!) konkreten Angaben zum Inhalt).
Sein
Hobby waren alte Autos.
Die
Gefahr, daß ein Schriftsteller in Frankreich in ein Gespräch über Autos
verwickelt würde, hielt ich für relativ gering, dennoch drückte ich Sam einen
Bildband über Oldtimer in die Hand, als wir uns voneinander verabschiedeten.
»Wir
sehen uns dann morgen abend«, sagte ich, als wir alle drei draußen vor dem Café
standen und Sam Goldberg unternehmungslustig seine Tüten schwenkte.
Die
beiden Brüder wollten in ihr Hotel, bevor sie am Abend Paris unsicher machen
würden, und ich wollte einfach nur nach Hause. »Es wäre gut, wenn ihr eine
halbe Stunde vorher da sein könntet.« Ich holte tief Luft. »Wird schon
schiefgehen, was?«
»Alles
wird gut«, sagte Adam. »Wir werden ganz pünktlich sein.«
»Yes, wir werden der Baby schon schütteln«, sagte Sam.
Und
dann trennten sich unsere Wege.
Größere
Katastrophen haben immer ihre Vorboten. Doch oft genug übersieht man sie. Als
ich am nächsten Morgen im Bad stand und mich rasierte, hörte ich plötzlich ein
lautes Krachen. Ich lief auf nackten Füßen in den dunklen Flur und trat in eine
Scherbe, noch bevor ich sah, was passiert war.
Der
schwere alte Spiegel, der neben dem Garderobenständer hing, war
heruntergefallen, der dunkle Wurzelholzrahmen war gebrochen, und überall lagen
Glasscherben und Splitter. Fluchend zog ich die Scherbe aus meinem blutenden
Fuß und humpelte in die Küche, um ein Pflaster zu holen.
»Hält
bombenfest«, hatte mein Freund Michel gesagt, als er mir den Spiegel anbrachte,
den ich vor ein paar Wochen erst mit der Metro vom Marché aux Puces, dem Flohmarkt
an der Porte de Clignancourt, in die Stadt transportiert und dann in meine
Wohnung geschleppt hatte.
Abergläubische
Menschen sagen, daß ein Spiegel, der von der Wand fällt, Unglück bringt. Aber
ich bin Gott sei Dank nicht abergläubisch, und so begnügte ich mich damit,
unter allerlei Verwünschungen die Scherben zusammenzufegen, und machte mich
dann auf den Weg in den Verlag.
Mittags
traf ich mich mit Helene Bonvin, der Autorin mit der Schreibblockade. Wir saßen
im ersten Stock des Café Flore, aßen das Assortiment de fromage, und
nachdem ich sie endlich davon überzeugt hatte, daß ich das, was sie bisher
geschrieben hatte, gut fand (»Sie sagen das jetzt aber nicht, um mich zu
beruhigen, oder, Monsieur Chabanais?«), und ihr noch ein paar Ideen für den
Rest des Romans mit auf den Weg gegeben hatte, eilte ich wieder an meinen
Verlagsschreibtisch zurück.
Sekunden
später war Madame Petit in meinem Zimmer, um mir zu sagen, daß meine Mutter
angerufen hatte und dringend um Rückruf bat.
»Es
klang wirklich dringend«, beteuerte Madame Petit, als ich sie mit
hochgezogenen Augenbrauen ansah, und ich sagte: »Ach ja? Bei meiner Mutter ist
es immer dringend, wahrscheinlich ist wieder mal ein Nachbar von der
Leiter gefallen. Ich habe heute abend eine Lesung, Madame Petit, es geht jetzt
nicht«.
Ein
halbe Stunde später saß ich im Taxi und war auf dem Weg ins Krankenhaus.
Diesmal war es nicht ein Nachbar gewesen.
Maman hatte sich an diesem Montag spontan entschieden, einen kleinen Ausflug nach
Paris zu machen, und war mit sämtlichen Einkaufstüten in den
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