Das Laecheln der Menschen
"sonst erwischen uns die Wächter doch noch."
Das Herz des Greisen pochte laut, als er den Kindern folgte. Sie schlichen lautlos im Schatten an der Mauer entlang, bis sie die Stelle mit dem Loch erreichten. Dem alten Mann kam dieses kleine Loch vor wie eine Tür ins Reich des Lebens.
"Kriecht ihr voraus, Kinder. Dann könnt ihr mir von draußen heraushelfen. Ich bin ja nicht mehr so beweglich wie ihr."
"Klar, wird gemacht," nickte Bernd und ließ sich gelenkig unter dem bröckeligen Mauerwerk hindurchgleiten. Sabine und die beiden anderen Jungen folgten ihm behände.
"So, jetzt du, Opa," sagte das Mädchen.
"Ja, ich komme schon," flüsterte der Alte heiser vor Aufregung, streckte seine Beine in das Loch und schob seinen Körper nach.
Plötzlich zuckte er zusammen.
Nahende Schritte schwerer Stiefel waren zu hören. Die Wachen machten ihre Runde.
"He, was ist da los?" erklang jetzt eine barsche Stimme.
Der Alte bewegte sich schneller, hastiger - verhakte sich - blieb stecken. Verzweifelt wand er sich in dem engen Loch und versuchte freizukommen. Die Schritte kamen schnell näher.
"Zum Teufel! Da will einer abhauen!"
"Komm' da sofort 'raus, Kerl!"
Der Alte aber schob sich ächzend weiter. Seine Jacke zerriss.
"Na warte, du alter Bock!"
Erschrocken sahen die Kinder draußen, wie der alte Mann gewaltsam zurückgezerrt wurde, während er sich verzweifelt zu wehren versuchte. Dann war er nach drinnen verschwunden.
Ein Mann sagte: "Schau' dir den alten Narren an. Hat sich hier doch tatsächlich ein Loch gebuddelt, um abzuhauen."
"Ich möchte bloß mal wissen, was diese Greise eigentlich noch da draußen wollen. Da will die doch keiner mehr haben! Sollen doch froh sein, dass sich überhaupt jemand um sie kümmert", meinte ein anderer.
"Ist doch egal. Los, bringen wir ihn zum Direktor. Der soll sich damit befassen. Außerdem will ich heute pünktlich Feierabend machen."
"Los Alter, ab mit dir!"
Die Schritte entfernten sich.
Draußen standen die Kinder und starrten erschrocken und ratlos auf das Loch in der Mauer …
Ende
Das Ende einer Epoche
"... Unser Menschsein ist das Ergebnis einer Jahrtausende währenden Selektion der Natur. Wir sind das Resultat verschlungener Pfade der Evolution und wir folgen den mysteriösen Regeln in einem großen universalen Spiel, dessen Sinn wir nie begreifen konnten und dessen Ziel für uns immer ein Rätsel blieb. Nun stehen wir am Ende einer langen Epoche, die mit Tränen des Elends, des Leidens und der Sorgen angefüllt war, die aber auch erfüllt war mit Stationen des Erfolges, des Glückes und menschlicher Größe.
Wir fühlten uns wie Götter, als es uns gelang, die Geheimnisse der Atome zu ergründen, das Rätsel des Lebens zu entschlüsseln, als wir unsere Füße auf andere Planeten setzten und schließlich sogar gezielt das menschliche Erbgut veränderten. Wir spielten mit dem Leben, ließen Gene mutieren und sich wieder normalisieren. Wir machten aus Menschen Monstren und aus Monstren wieder Menschen. Der biologische Mechanismus des Lebens war uns zur Genüge bekannt - doch der Sinn allen Seins lag für uns immer im Verborgenen.
Keine Religion gab uns wirkliche Antworten, weil wir uns nicht mit reinem Glauben zufriedengeben konnten. Wir versuchten auch dieses große Rätsel zu lösen, doch daran scheiterte das intelligente Wesen Mensch. Wir forschten und suchten - und wir versagten jämmerlich. Denn wir kamen nur zu der niederschmetternden Erkenntnis, dass wir in Wahrheit nur ein Abfallprodukt des Universums waren wie jede Art von Leben. Wir waren nur kosmisches Ungeziefer; oder nur ein Abenteuer, ein Experiment der Natur - WARUM UND WOZU? Wir fanden keine Antworten und resignierten schließlich. Unsere Technologie wurde ständig verbessert und machte uns zu Abhängigen. Unsere geistige Entwicklung stagnierte und wir Menschen begannen mit unheimlicher Schnelligkeit zu degenerieren. Aus zivilisierten, vernunftbegabten Wesen wurden technisierte Barbaren, die sich gegenseitig zu zerfleischen begannen. Das Ende vollzog sich innerhalb eines einzigen Jahrhunderts. Länger brauchte die Menschheit nicht, um sich selbst auszulöschen ..."
Der Alte, der diese Worte niedergeschrieben hatte, stand jetzt einsam und verlassen an einem sich endlos dahinziehenden Sandstrand. Sein Gesicht hatte die Farbe einer vertrockneten Pflanze, farblos, blass und schlecht durchblutet.
Die Luft flimmerte. Der Wind, der heiß aus dem Innern des verbrannten Landes
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