Das Lächeln der toten Augen
Bremer Flughafen gelandet. Trevisan brachte ungeduldig die Formalitäten hinter sich. Nachdem er die Zollkontrolle passiert hatte, stürzte er in die Ankunftshalle, schaute sich hektisch nach Dietmar Petermann um und fluchte, als er seinen Kollegen nirgends entdeckte. Trevisan fand eine Telefonzelle neben dem Ausgang, doch noch bevor er Geld in den Münzautomaten einwerfen konnte, legte ihm jemand die Hand auf die Schulter. Trevisan fuhr herum und schaute in die betretene Miene von Dietmar.
»Es tut mir leid«, sagte Dietmar und schluckte.
Einen Augenblick lang rang Trevisan mit seinen Tränen, doch er schob die Trauer beiseite. Paula war entführt worden, sie war nicht tot. Und wenn sie dieser Kerl hätte umbringen wollen, dann hätte er es gleich tun können. Aber er hatte es nicht getan, deshalb gab es noch immer Hoffnung. An die Stelle der Trauer trat eine grimmige Entschlossenheit.
»Gibt es was Neues?«, fragte er zögernd, denn schließlich konnte schon allein die Beantwortung dieser Frage sein ganzes künstlich errichtetes Gerüst wieder zum Einsturz bringen.
Dietmar schüttelte den Kopf.
Trevisan atmete auf. »Was genau ist passiert?«
Auf dem Weg zum Wagen erzählte ihm Dietmar die ganze Geschichte.
»Und wo ist Nikolas jetzt?«
»Er liegt in der Klinik in Sande«, antwortete Dietmar. »Beck leitet die Ermittlungen persönlich. Wir haben das Haus nach Spuren abgesucht, aber außer einem Fußabdruck im Garten nichts gefunden. Keine Fingerabdrücke, keine Faserspuren, absolut nichts. In der Nähe wurde ein Mercedes mit dänischer Zulassung aufgefunden, er gehört einer Firma in Esbjerg. Sie heißt Artwork. Die Ermittlungen laufen noch.«
»Weiß man, wie der Täter weiterkam?«, fragte Trevisan.
»Der Golf von Nikolas Ricken fehlt.«
Dietmar hatte den Dienstwagen auf einem Parkplatz unweit des Ankunftsgebäudes abgestellt. Schweigend fuhren sie nach Wilhelmshaven. Trevisan grübelte. Natürlich war klar, dass die Entführung von Paula unmittelbar mit den Ermittlungen in Dänemark zusammenhing. Doch welchen Zweck verfolgte der Täter? Trevisan dachte daran, was ihm Jan Simac über die Söhne Uthers erzählt hatte. Wohin hatten sie Paula verschleppt?
Als Dietmar an der Ausfahrt Zetel vorbeigefahren war, meldete sich Trevisan zu Wort. »Fahr an der nächsten Ausfahrt ab, ich will mit Nikolas sprechen!«
»Aber Beck …«
»Es geht um jede Sekunde, ich muss wissen, wer hinter der Entführung steckt.«
»Beck gab mir den Auftrag, dich in die Dienststelle zu bringen«, widersprach Dietmar noch einmal.
»Dietmar, wir arbeiten jetzt schon einige Jahre zusammen«, sagte Trevisan eindringlich. »Du weißt, um was es geht. Ich brauche jetzt jede Hilfe, die ich kriegen kann. Du kennst Beck. Der kriegt nicht einmal heraus, wer ihm den Stuhl unter dem Hintern wegzieht. Also, fahr mich bitte nach Sande. Ich kann doch nicht einfach tatenlos zusehen. Oder was würdest du machen, wenn sie deinen Sohn entführt hätten?«
Dietmar nickte fast unmerklich. Als die Ausfahrt in Sicht kam, setzte er den Blinker. Wenig später stoppte er den Dienstwagen direkt vor dem Haupteingang des Krankenhauses. »Ich warte lieber hier«, sagte Dietmar, als Trevisan die Tür öffnete.
»Wo liegt er?«
»Wer?«
»Der Kaiser von China, Dietmar, wer denn sonst!« Manchmal konnte er nicht verstehen, dass sein Kollege so schwer von Begriff war.
»In der Chirurgie, zweiter Stock, Zimmer 228«, antwortete Dietmar Petermann zögernd.
Trevisan spurtete durch den Haupteingang, ignorierte den Pförtner und hetzte die Treppen hinauf. Die Gänge lagen im Halbdunkel. Ohne anzuklopfen, öffnete er die Tür zum Zimmer. Es war dunkel. Ein Mann schnarchte. Trevisan betätigte den Lichtschalter. Das Neonlicht flackerte auf.
Nikolas Ricken lag im Bett am Fenster. Trevisan erkannte ihn trotz seines Kopfverbandes.
Der schnarchende Mann war aufgewacht. »Hey, was soll denn das?«, sagte er verschlafen.
Trevisan setzte sich auf das Bett des Jungen. Nikolas hatte die Augen aufgeschlagen. »Herr Trevisan«, sagte er mit brüchiger Stimme.
»Was kannst du mir zu dem Kerl sagen, der euch überfallen hat?«
»Das gibt es doch gar nicht«, maulte der Kranke nebenan. »Ich will schlafen, das können Sie doch auch morgen besprechen, verdammt.«
Die Tür wurde aufgerissen, eine ältere Frau in weißer Schwesterntracht kam in das Zimmer gestürmt. »Ja, was ist denn hier los?«
Trevisan schaute den Jungen mit fordernden Augen an.
»Verlassen Sie
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