Das Lächeln der toten Augen
geklungen, als Trevisan sie angerufen und um einen Gesprächstermin mit dem Abgeordneten gebeten hatte. Herr Behrends habe einen vollen Terminkalender, hatte sie geantwortet. Um ein Uhr habe er ein Mittagessen mit Vertretern der Werftvereinigung und zwei Stunden später sei er bereits wieder auf dem Weg nach Hannover, wo er an der Arbeitstagung des Finanzausschusses für die Beschränkungen der öffentlichen Ausgaben teilnehmen müsse. Heute Morgen habe er einen Betrieb in Bremerhaven besichtigt und jetzt müsse er erst einmal seine Post erledigen. Doch Trevisan hatte sich nicht abweisen lassen. Schließlich war die Frau bereit, zehn Minuten Abweichung von ihrem akribisch ausgearbeiteten Zeitplan zu tolerieren. Unverbindlich natürlich, denn es konnte ja durchaus sein, dass ihr Chef noch andere Pläne hatte. Ihre Stimme klang am Ende sogar noch freundlich. Trevisan bedankte sich für die eingeräumte Möglichkeit zur Audienz.
Eine halbe Stunde später parkte Trevisan den Wagen gegenüber der Geschäftsstelle des Abgeordneten. Die Geschäftsräume waren in einem Wohnhaus untergebracht. Die Atmosphäre im Inneren des Gemäuers hatte etwas Kaltes und Unpersönliches an sich. Werbeplakate von Behrends’ Partei zierten die Wände des Flurs. Auf einem Regal lagen Parteibroschüren. Eine Holzbank und zwei schwarze Plastikstühle standen zwischen den grau gestrichenen Türen. Wenigstens war das blaue Sitzpolster auf der Bank weich und gemütlich. Die Sekretärin mit der strengen Frisur und der altmodischen Hornbrille hatte die beiden Kripobeamten zum Warten verurteilt. Die unterschwellige Freundlichkeit, die sie am Ende des Telefonats gezeigt hatte, war wieder einer steifen Geschäftsmäßigkeit gewichen. Offenbar musste man sich ihre Zuneigung jedes Mal neu erarbeiten.
Zwanzig Minuten waren schon vergangen und Trevisan hatte genug von den Konzepten gelesen, mit denen Behrends’ politische Gruppierung dem Land neue Impulse geben wollte. Nur Dietmar schien sich in der Umgebung wohlzufühlen. Er verschlang förmlich jedes Wort auf den Hochglanzbroschüren.
Endlich wurde die Tür aufgestoßen und die Sekretärin erschien. »Sie können nun zu Herrn Behrends.« Sie klang wie ein Zeremonienmeister. »Aber wie gesagt, halten Sie sich kurz, der Terminkalender ist eng.«
Dann werden wir die Zeit nutzen, dachte sich Trevisan. Er nickte freundlich und erhob sich. Dietmar las noch immer im farbigen Prospekt. Trevisan rüttelte ihn an der Schulter.
»Kann ich die Broschüre mitnehmen?«, fragte Dietmar schließlich.
»Dazu sind sie ja da«, entgegnete die Frau und forderte die beiden Kriminalbeamten mit einer knappen Geste auf, ihr zu folgen.
Der Raum war düster und wirkte drückend. Es lag an den dunklen Hölzern der Möbel und dem grünen Teppich, die das Interieur beherrschten. Behrends saß an einem langen Tisch und hatte ein paar Briefe vor sich liegen. An der Wand hingen riesige Ölgemälde, die allesamt die Nordsee als Hauptmotiv zeigten. Schiffe auf See, Dünen und ein Leuchtturm, Sturmflut und der gebrochene Deich und ein alter Segler, der das blaue Wasser durchpflügte. Nur ein Bild fiel aus der Art. Es war ein abstraktes Gemälde aus kreisförmig ineinander verlaufenden düsteren Farblinien. Trevisans Blick blieb kurz daran haften. So etwas Ähnliches hatte er auch schon bei Halbermann gesehen.
»Guten Tag, meine Herren.« Der Abgeordnete erhob sich, umrundete die Tafel und reichte zuerst Trevisan und dann Dietmar Petermann die Hand. Der Händedruck war weich. Die Hand war kalt. »Mein Name ist Gunther Behrends. Sie sind von der Polizei, wie ich hörte. Was kann ich für Sie tun?«
Trevisan musterte den Mann. Behrends war etwa so groß wie er, hatte dunkle, gescheitelte Haare und wirkte in seinem schwarzen Anzug wie der Kundenberater einer Privatbank. Seine tiefdunklen Augen hatten etwas Lebloses an sich. Trevisan fühlte sich ein wenig unbehaglich.
»Ich hätte ein paar Fragen bezüglich eines Ihrer Bekannten«, entgegnete Trevisan. »Sie kennen doch Simon Halbermann?«
Für einen Augenblick huschte eine Spur Unsicherheit über das Gesicht des Abgeordneten. »Sicherlich«, antwortete Behrends. »Setzen Sie sich, es redet sich leichter.« Der Abgeordnete schob zwei Stühle heran, und wartete, bis seine Gäste Platz genommen hatten, dann setzte er sich an die Stirnseite des Tisches. »Was darf ich Ihnen anbieten?«
»Danke.« Trevisan schüttelte den Kopf. Dietmar hob abwehrend die Hände.
»Warum
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