Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Befriedigung. «Ich hab es nachgesehen. Das steht in einem meiner Bücher, und ein bisschen was hab ich aus dem Netz. Das ist echt interessant. Zum Beispiel der Name ‹Ludlow› – ‹low› bezieht sich meistens auf einen Grabhügel, und da war mit Sicherheit einer.»
«Wo?»
«Oben auf dem Hügel. Wo ist heute der höchste Punkt der Stadt?»
«Die Kirche? St. Laurence?»
«Es gab einen Grabhügel, der sich bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts direkt neben der ursprünglichen Kirche befunden hat. Und dann haben sie die Kirche vergrößert, bis über den Grabhügel, und haben Tote gefunden – also bloß Knochen meine ich. Die wurden zu der Zeit drei irischen Heiligen zugeschrieben, weil es damals mehr Ehre einbrachte, Knochen zu finden, die als Reliquien angebetet werden konnten. Wahrscheinlich waren es die Knochen von Sippenführern aus der Bronzezeit … was ziemlich cool ist.»
«Die sind jetzt vermutlich nicht mehr da?»
«Spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass der Turm – der höchste an der Grenze, okay? Die Kathedrale der Marschen – direkt auf einer heidnischen Stätte steht, er gehört also …» – Jane hob eine Faust in die Höhe – «… zu uns.»
«Herzlichen Glückwunsch.»
«Das haben sie damals so gemacht», sagte Jane. «Die heidnischen Stätten sind geopsychisch betrachtet sensible Orte. Hätte die Kirche nicht an Orten gebaut, die schon Macht besaßen, wäre das Christentum wahrscheinlich mit dem Ende des Mittelalters verschwunden. Belladonna sucht also eine Verbindung zu den heiligen Zentren von Ludlow, darum geht es.»
«Sie geht auf jeden Fall in die Kirche, auch wenn sie nicht zum Gottesdienst geht.»
«Na, also. Sie öffnet sich für die Schwingungen.»
Ethel sprang auf Merrilys Schoß und begann sich zu putzen. «Was genau macht sie da, Jane, was glaubst du? Haben wir es mit Hexerei zu tun?»
«Macht sie es allein?»
«Es gibt ein paar junge Leute, die sich ihr anscheinend verbunden fühlen. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, war sie mit vier von ihnen zusammen – zwei Männer und zwei Frauen. Und alle hatten diese altmodische, edwardianische Kleidung an, die einen immer an eine Beerdigung erinnert.»
«Könnten zu einem Hexenzirkel gehören. Aber das halte ich nicht für besonders wahrscheinlich.»
«Ich dachte, es wären einfach Gruftis.»
«Okay, hör zu … ich hab darüber nachgedacht. Kann es sein, dass sie in der Stadt irgendwelche Vorfahren hat? Will sie zurück zu irgendwelchen Wurzeln? Das könnte erklären, warum sie immer mit Robbie Walsh zusammen war – er könnte ihr bei den Nachforschungen geholfen haben. So was hätte ihm sicher gefallen.»
«Das ist keine schlechte Theorie», sagte Merrily.
«Oder, wenn man es etwas mystischer will, sie könnte sich per Hypnose in ein früheres Leben in Ludlow versetzen lassen haben. Zum Beispiel – das würde doch Sinn ergeben – könnte sie glauben, sie wäre die Reinkarnation von jemandem, zum Beispiel von …»
Merrily klatschte in die Hände. «Marion de la Bruyère!»
«Ja, oder?»
«Das ist ein faszinierender Gedanke, Spatz.»
«Es passt auch zu der ganzen Selbstmordgeschichte», sagte Jane. «Und es ist genau die Art Blödsinn, auf die ein verrücktes altes Flittchen wie Belladonna abfährt.»
Als es vorbei war, folgte Lol Moira auf der M4 ins
Severn Bridge
, wo sie übernachtete. Sie setzten sich im Café an die großen Fenster, durch die man die Hängebrücke sehen konnte, die nach Wales führte. Lichter spiegelten sich auf dem dunklen Wasser des Flusses.
«Das ist mir noch nie passiert», sagte Lol. «Noch nie.»
Nach zwei Strophen war er in der Hitze, die die Scheinwerfer verbreiteten, erstarrt und hatte zitternd dagestanden, wie der Psychiatriepatient, über den er sang.
«Du meinst, das war keine Absicht?» Moira hob eine Augenbraue und hielt die Tasse mit heißem Kakao wie einen Abendmahlskelch in den Händen. «Sogar ich hab gedacht, das gehört zur Show. Und als du dann angefangen hast, dermaßen zu lachen …»
«Ich konnte nicht mehr aufhören.»
Er hatte sich beinahe schiefgelacht und dabei bemerkt, wie sie ihn aus dem Schatten am Rand der Bühne ansah, in ihrem langen meergrünen Kleid, mit der weißen Strähne im Haar. Er hatte erwartet, hatte gedacht, sie würde zu ihm kommen, ihm behutsam das Mikro abnehmen und seinen Auftritt retten.
Das war aber gar nicht nötig gewesen, wie sich herausstellte. Das Publikum hatte mitgelacht, ohne eine Ahnung zu
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