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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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er wär von hier.»
    «Damit ich paranoid werde … Danke jedenfalls, Gomer.»
    «Wir Zugezogenen müssen doch zusammenhalten», sagte Gomer.
    «Äh … ja.» Soweit Lol wusste, war Gomer ungefähr fünfzehn Kilometer außerhalb von Ledwardine geboren worden. «Genau.»
    «Wo is die Frau Pfarrer?»
    «Drüben in Ludlow.»
    «War wohl die ganze Nacht weg.»
    «Hm …» Lol hörte drinnen sein Handy klingeln.
    «Geh lieber dran, Junge, vielleicht ist sie’s ja.»
    «Kann sein.»
    «Pass schön auf die kleine Frau auf», sagte Gomer. «Gibt komische Leute in Ludlow, nach allem, was man so hört.»
     
    Die nächste Anruferin hatte nach Mrs. Watkins gefragt. Jane kannte die Stimme nicht, sie war relativ tief und angenehm.
    «Kann das … Jane sein?»
    «Kann es, ja.»
    «Jane, hier ist Kanonikerin Siân Callaghan-Clarke. Domherrin Callaghan-Clarke aus Hereford.»
    «Oh, hallo.»
    Riesige Alarmglocken begannen zu läuten, sehr nah und quälend laut, wie an einem Sonntagmorgen im Glockenturm.
    «Jane, es tut mir schrecklich leid, dich zu stören, aber es ist sehr wichtig, dass ich deine Mutter spreche, ehe … es andere Leute tun.»
    «Andere Leute?»
    «Zum Beispiel die Medien.»
    «Mit den Medien kann sie eigentlich ziemlich gut umgehen.»
    «Ja, so etwas habe ich gehört. Weißt du, wo sie sein könnte? Sagt sie dir üblicherweise, wo sie hingeht?»
    «Sie meinen, ob ich ein Schlüsselkind bin, das sich selbst was zu essen kochen muss?»
    Siân Callaghan-Clarke lachte kurz.
    «Üblicherweise erzählt sie mir tatsächlich alles», sagte Jane, «aber leider bin ich gestern Abend selbst spät nach Hause gekommen – der Bus hatte eine Panne – und habe, ähm, verschlafen. Sie steht immer sehr früh auf, schrubbt auf allen vieren die Kirche oder besucht die Kranken, und ich muss leider auch gleich los, also …»
    «Hm-hm.»
    «Ich kann ihr eine Nachricht hinterlassen.»
    «Bist du sicher, dass sie nicht nach Ludlow gefahren ist, Jane?»
    «Ludlow.» Jane machte eine Pause. «Das liegt in Shropshire, oder?»
    «Danke», sagte Siân Callaghan-Clarke. «Du hast mir sehr geholfen.»
    Fehler.
     
    «Irgendwas läuft hier», sagte Jane zu Lol. «Und ich hab keine Ahnung, was. Und Mom hat nicht angerufen, und ich kann sie auch nicht erreichen, weil die blöde Belladonna nicht im Telefonbuch steht. Und Eirion muss jeden Moment hier sein, um mich abzuholen.»
    «Was kann ich tun?»
    «Vielleicht kannst du rüberkommen und im Pfarrhaus … bleiben? Damit das Telefon besetzt ist und so?»
    «So viel Verantwortung willst du mir übertragen, bist du sicher, Jane?»
    «Bitte, Lol, das ist wirklich das Beste, was du jetzt machen kannst. Es ist irgendwas passiert, und ich weiß nicht, was. Ich hab das Radio an, aber in den Regionalnachrichten kommt auch nichts. Lol, bitte …»
     
    Im Traum – und ihr war die ganze Zeit klar, dass sie träumte – befand sich Merrily an der Kreuzung mehrerer alter Straßen, an denen vergoldete Häuser standen. Sie hatten Balken, die Goldbarren ähnelten, und kleine Ziegel wie Juwelen, und jede Straße, der sie sich näherte, leuchtete verführerisch, die Luft duftete nach dem Rauch von Apfelholz. Aber je weiter sie der Straße folgte, desto dunkler und enger wurde alles, das Licht wurde trüber, und in den Duft mischte sich zunehmend der Gestank von Nässe und Fäulnis. Und vor ihr lief – mit klatschenden Sandalen auf trockenen Steinplatten – eine Frau mit einem Instrumentenkoffer, den sie wie ein Weihrauchgefäß in der einen Hand schwenkte.
    Ängstlich kämpfte sich Merrily aus dem Traum heraus. Sie öffnete die Augen, und das eine tat weh. Das spärliche Licht war grau, auf ihrem Gesicht war der Schweiß getrocknet wie saurer Sirup. Sie schob die schlichte cremefarbene Bettdecke weg und senkte ihre bloßen Füße zögernd auf die nackten Holzdielen.
    Nicht der winzigste Span stand von diesem Boden empor. Es war sehr altes Holz, vom vielen Gebrauch perfekt glatt geschliffen, lange bevor es hier eingebaut worden war. Es konnte von überall stammen. Es hatte seine eigene Geschichte.
    Das Wehrhaus. Hier vermengten sich Hunderte verschiedener Geschichten. Es bestand aus Balken und Steinen zerstörter Scheunen, die viele Meilen entfernt gestanden hatten, und nichts würde –
    Gott, wie spät war es überhaupt?
    In BH und Höschen und mit ihrem kleinen Kreuz um den Hals wankte sie zu dem einzigen, schmalen Fenster.
    Sie sah einen kurzen Pfad, an dessen Ende sich eine Metallpforte

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