Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Wahrscheinlich Drogen. Wenn du mich fragst, ist dieses Mädchen im Schloss auf Drogen. Hat man über die andere ja auch gesagt.»
«Ja», sagte George. «Das … das habe ich auch gehört. Kennst du Mrs. Watkins von der Diözese? Das ist Mr. Tom Pritchard. Ihm gehört der Eisenwarenladen unten bei uns.»
«Vor ein paar Monaten ist eingebrochen worden», sagte Tom ernsthaft zu Merrily. «Drogen, vermutlich. Wenn ich jetzt irgendeinen Lärm höre, denk ich nicht lange nach, dann schicke ich gleich meinen jungen Freund vor.» Er tätschelte den Hund. «Schätze, ich werd verklagt, wenn er einen von denen beißt, aber das muss ich wohl riskieren. Man muss sich ja schützen, oder nicht?» Er sah den Bürgermeister an. «Die Stadt ist nicht mehr, was sie mal war, George. Unsere Läden hatten immer jeden Morgen geöffnet, außer sonntags und an Weihnachten, seit dem Krieg. Bei Schnee, bei Hochwasser, bei Grippe, komme, was da wolle. Aber der Junge … wenn der sich betrinkt, bleibt der Laden den ganzen Tag zu.»
«Wer denn, Tom?» George steckte den Schlüsselbund ein.
«Scole. Nennt sich selbst Ladeninhaber. Lachhaft.»
«Entschuldigung», sagte Merrily. «Hat der Laden von Jon Scole nicht den ganzen Tag über geöffnet?»
«Die haben heutzutage zu viel Geld, das ist es.» Tom zerrte an der Leine. «Komm, Tyson.»
«Irgendwie heißen die immer Tyson, nicht?», sagte Merrily, als Tom Richtung Buttercross verschwunden war.
Sie sah George in die Augen.
«Wir sehen besser mal nach», sagte George.
44 Laborratte
Wie er da mit dem Rücken zum Sandstein stand, hätte er ein normannischer Baron sein können. Der Bart umrahmte sein Gesicht wie ein feingliedriges Kettenhemd. Ein Baron, der mit einem Leibeigenen sprach.
Und dann, kaum war der Name Lord Shipston ausgesprochen, sah Saltash ihn an. Sah ihn richtig an, eine ganze Sekunde lang: die kleinen runden Brillengläser, die zu langen Haare, das Sweatshirt von einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb.
Das reichte Saltash, um den Blick abzuwenden und zu beschließen, dass Lord Shipston nie erwähnt worden war, denn die Kurzinspektion hatte ergeben, dass dies kein ernstzunehmender Kampf werden würde.
«Ich glaube nicht, dass ich Sie überhaupt kenne, oder?»
«Ich bin Lol Robinson», sagte Lol.
Als er in der Psychiatrie gewesen war, hatte es immer mit zum Schwierigsten gehört zu wagen, als Mensch aufzutreten. Sich zu erinnern, dass man ein Mensch war, nicht nur eine Akte, ein Gegenstand der Beobachtung und Beurteilung, eine Laborratte für die multinationale Pharmaindustrie.
«Nein, ich kenne Sie nicht», sagte Saltash lächelnd und warf ihm im Weggehen ein «Sorry» hin.
Und wenn er das Torhaus erreichte, an dem zwei Polizisten standen, würde es keine zweite Chance geben.
«Na gut.» Lol verstellte ihm den Weg. «Wenn Sie es lieber etwas ausführlicher möchten, sprechen wir eben über Gascoigne.»
Saltash zischte erbittert.
«Sie wissen doch wahrscheinlich, dass dadrinnen ein junges Mädchen ist, das damit droht, sich umzubringen. Ich habe jetzt keine Zeit, mit Ihnen oder irgendjemand anderem zu reden, über gar nichts. Wenn Sie einen Termin mit mir vereinbaren wollen, lässt sich das sicher arrangieren.»
Am Tor stand jetzt nur noch ein Polizist, aber der beobachtete sie. Es war absolut notwendig, dass Saltash hier unten blieb. Sobald sie bei dem Polizisten am Torhaus ankämen, würde Saltash dafür sorgen, dass er rausgeworfen würde, oder vielleicht sogar …
… festgenommen.
Glauben Sie ja nicht, dass Sie hier jemals wieder rauskommen, Mr. Robinson. Sehen Sie die Tür da? Eines Tages, wenn ich schon lange pensioniert bin und in Südfrankreich lebe, werden Sie sich da mit Ihrer Gehhilfe durchquälen.
Aber Gascoigne lebte nicht in Südfrankreich.
«Ich habe nicht gewusst …» In seinem Bauch pochte etwas, und er sprach jetzt zu schnell, um es zu unterdrücken. «Ich habe bis heute nicht gewusst, dass er jetzt im Gesundheitsministerium arbeitet. Und im Oberhaus gesundheitspolitischer Sprecher ist. Verdammt.»
«Lord Shipston», sagte Saltash, «ist ein sehr guter Psychiater und einer meiner früheren Schüler. Ich weiß nicht, wie Sie –»
«Und ein guter Freund?»
«Ein sehr guter Freund, weshalb ich auch nicht beabsichtige, mit einem Fremden weiter über ihn zu sprechen. Entschuldigen Sie mich.»
Saltash schob Lol beiseite. Aber das hatte Lol erwartet, und er verstellte Saltash erneut den Weg.
«Allerdings bin ich kein
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