Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
einleitenden Maßnahmen bräuchten, sind schon hier. Ich müsste ihnen nur ein paar Hinweise geben, die ich für sachdienlich halte.»
Die Erinnerung war wie ein Schock. Gascoigne, der damals ziemlich jung gewesen sein musste, höchstens Ende dreißig:
Hier drinnen kann ich über Sie sagen, was ich will, Laurence, vergessen Sie das nie, hier drin hört jeder auf mich und verhält sich entsprechend, aber niemand hört auf
Sie.
Und Gascoigne hatte vieles gesagt und aufgeschrieben und kopiert und es an allen wichtigen Stellen hinterlegt: Berichte, Beurteilungen. Manchmal fragte sich Lol, ob er immer noch in der Anstalt säße, wenn Gascoigne nicht als Erster gegangen wäre.
«Ich könnte denen zum Beispiel von Ihrem persönlichen Groll auf Psychiater erzählen», sagte Saltash, «der sich zu einer gefährlichen Obsession ausgeweitet hat. Und ich könnte ihnen von Ihrer absurden Vermutung erzählen – die sich klinisch natürlich erklären lässt –, dass ich Ihre Freundin verführt hätte …»
Lol trat einen Schritt zurück. «Bitte? Was haben Sie gerade gesagt?»
«… Ihre sehr attraktive Freundin, die sowieso schon überlastet ist, nachdem sie einen Posten bekommen hat, dem sie emotional offensichtlich nicht gewachsen ist. Woraufhin inoffiziell ich selbst und meine Kollegin, eine erfahrene Geistliche, eingesetzt wurden, um Merrily zu beraten und sie vielleicht davon abzuhalten, so unberechenbar zu handeln wie –»
«Sie sind wirklich irre», sagte Lol.
Der Polizist am Torhaus sah auf.
Saltash lächelte. «Oh nein, Mr. Robinson. Ich bin nicht derjenige, der seine Freundin, zerfressen von Eifersucht und erfüllt von einem Gefühl der Unzulänglichkeit, angegriffen und ihr mindestens eine ernsthafte Verletzung im Gesicht zugefügt hat. Für die sie angesichts ihrer sozialen Stellung zweifellos eine plausible Erklärung ersonnen haben wird, aber davon lässt sich bestimmt keins ihrer Gemeindemitglieder täuschen, und ganz sicher nicht mein guter Freund Dr. Asprey. Glauben Sie, der Polizist da drüben kommt jetzt zu uns?»
Es sei nicht nötig, in die Stadt zurückzugehen, sagte George Lackland, es gebe einen kürzeren Weg zu Jonathans Wohnung. Er führte Merrily über den Friedhof, einen Weg entlang, der zu beiden Seiten mit Eiben bestanden war.
Sie kamen auf den Hof eines Gasthauses, in dem früher sicher einmal Pferdegespanne entladen worden waren. Er war von schwarzweißen Fachwerkhäusern umgeben, denen der Abendhimmel einen violetten Schimmer verlieh. George überquerte den Hof, und dann befanden sie sich auf der Corve Street, in der Nähe von
Lacklands Modernes Mobiliar
und Tom Pritchards Laden.
«Alteingesessener Eisenwarenhandel, einen älteren gibt es in Ludlow nicht, seit dem achtzehnten Jahrhundert, vielleicht noch früher. Und vorher war an derselben Stelle ein Hufschmied.» George blieb stehen. «Was läuft hier, Mrs. Watkins? Ich war offen zu Ihnen. Habe Ihnen vor Gott die Wahrheit gesagt.»
«George, ich weiß es nicht. Das meiste davon spielt sich nur in Bells Kopf ab. Sie fühlt sich verfolgt … betrogen.»
«Von wem?»
«Von den Frauen, die sie letzte Nacht auf der Straße überfallen haben oder auch nicht …»
«Auf der Straße? Wann ist –»
«Ich weiß nicht einmal, ob das wirklich passiert ist. Vergessen Sie’s. Und von mir fühlt sie sich auch verraten. Ich war bei ihr, aber unter … unter einem Vorwand. Und dann hat sie dieses nette Foto von mir in der Zeitung gesehen, und jetzt bin ich ihre Feindin. Und derjenige, der mich ihr vorgestellt hat – also der wahre Verräter – ist Jon Scole. Es gibt eine hohle Eibe, in die Bell eine Tür mit Schloss hat einsetzen lassen. Dort bewahrt sie Dinge auf, die ihr wichtig sind, und da ist letzte Nacht eingebrochen worden, und es wurde etwas gestohlen.»
«Und sie glaubt, das war Scole?»
«Sogar ich glaube langsam, dass es Scole war.»
Und, oh Gott, es stimmte. Wer sonst sollte ihnen letzte Nacht gefolgt sein?
Im Geiste hörte er seinen eigenen Song:
Auf der Station ist es Dienstag,
der Tag, den ich immer gehasst hab.
Lol dachte daran, wie dieser Song, diese ersten Zeilen mit ihrer unterdrückten Wut bei seinem Konzert in Hereford das Publikum erobert hatten … wie durch die spontane Reaktion der Zuhörer für ihn plötzlich alles okay gewesen war.
Einer von uns ist dran,
Dr. Gascoigne macht Visite auf unserem Gang.
Heute ist nämlich mal wieder …
PILLENVERORDNUNGSTAG
.
Der Polizist war auf
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