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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ein Heiligenschein. Sie war flächig ausgeführt, ohne Konturen, ohne Gesichtszüge.
    Offenbar die einzige menschenähnliche Figur, die Robbie gezeichnet hatte.
    Merrily schloss die Schublade und schüttelte die Kissen in Mrs. Mumfords Sessel auf. Ihr Blick fiel auf den weißen Umschlag, der aus dem Zeichenblock gefallen war.
    Es schien ihr zulässig, ihn zu öffnen.
    In dem Umschlag befand sich eine Postkarte, die ein atmosphärisches, mit Filter fotografiertes Bild vom Schloss in einem kühlen rosa Dämmerlicht zeigte. Der Text war mit Filzstift über die ganze Breite der Karte geschrieben.
     
    Liebe Marion,
    ich bin wieder in Ludlow, wie ich dir angekündigt hatte, und es ist genial hier, obwohl ich allein bin. Wenn ich durch das Schloss gehe, habe ich allerdings das Gefühl, dass du bei mir bist, und dann bin ich wirklich glücklich .
    Manchmal tue ich so, als ob du neben mir gehst und wir uns an den Händen halten, und das ist genial!!!! Alles ist wieder gut und ich will nie wieder gehen, denn das ist unser Ort .
    Mir ging es so schlecht, ich hab gedacht, ich halt’s nicht aus bis zum Ende des Schuljahres. Es ist dort schlimmer denn je. Ich hasse sie, die sind dumm und ignorant und versuchen, mir mein ganzes Leben kaputtzumachen. Je näher das Ende der Ferien rückt, desto trauriger werde ich, und ich will nicht zurück und wünschte, ich könnte für immer mit dir hier bleiben.
    Bitte komm, wie du es mir versprochen hast.
    Bitte, bitte, bitte komm.
    Ich werde warten.
     
    Auf dem Rückweg, in Mumfords Auto, sagte Merrily: «Ich habe das Haus gesegnet, ganz kurz, ohne Brimborium, hab für Robbie gebetet und das Vaterunser gesprochen.»
    «Und hat sie überhaupt mitbekommen, was Sie machen?»
    «So schlimm steht es gar nicht um sie, Andy. Obwohl sie, glaube ich, nicht verstanden hat, dass ich Pfarrerin bin. Schwer zu sagen. Hm … ich werde mit dem Bischof sprechen, in Ordnung? Ich meine, sie hat ja nach ihm gefragt.»
    «Ja, das war …» Mumford wirkte verlegen. «Meine Eltern kannten Mr. Dunmore ganz gut, obwohl sie kaum zur Kirche gegangen sind. Aber, Gott, jetzt ist er Bischof von Hereford. Wir können doch den Bischof von Hereford nicht einfach zu einer alten Frau schicken, die –»
    «Ach … Sie meinen, wenn sie adelig wäre, ginge das eher? Natürlich können wir ihn holen. Sie haben ja auch mich geholt – ich meine, Sie machen sich ernsthafte Sorgen und glauben, dass ihr das helfen könnte.»
    «Vielleicht hätt ich mich gar nicht darum kümmern sollen. Meinem Alten ist das jedenfalls alles egal.»
    «Besser geht es ihr dadurch aber bestimmt nicht. Glauben Sie, er merkt das überhaupt?»
    «Mrs. Watkins, er behandelt sie schon seit einem halben Jahrhundert, als wär sie beschränkt.»
    Merrily atmete einmal tief durch. «Ich glaube nicht, dass sie das ist.»
    «Was soll das heißen?» Er wandte sich ihr zu, sah dann aber schnell wieder auf die Straße.
    «Es ist so ein Gefühl. Aus verschiedenen Gründen. Wer ist Marion?»
    «Wer?»
    «Hatte Robbie eine Freundin?»
    «Zu schüchtern.»
    «Das hat Ihre Mutter auch gesagt, aber in Robbies Zeichenblock lag eine Postkarte. Darauf bittet er jemanden namens Marion, ihn im Schloss zu treffen. Er schreibt, es sei ihr besonderer Ort. Und dass er sich vorstellt, wie sie sich an den Händen halten.»
    «Und das hat Robbie geschrieben?»
    «Er hatte noch nicht unterschrieben, aber die Handschrift war dieselbe wie auf den Zeichnungen, denen er Titel gegeben hatte. Hatte er denn zu Hause gerade eine schwere Zeit?»
    «Wenn’s nach seiner Mutter geht, dann nicht, aber das hat überhaupt nichts zu sagen. Wenn ich so ein Zuhause hätte, hätt ich ganz sicher eine schwere Zeit.»
    «Vielleicht sollten Sie die Karte lesen», sagte Merrily. «Ich habe sie wieder in den Zeichenblock gelegt, zu einer ziemlich seltsamen Zeichnung.»
    «Wieso seltsam?»
    «Schwer zu erklären.»
    Vor der Windschutzscheibe tauchte Cole Hill auf und der Kirchturm, und es regnete jetzt richtig. Zwei Uhr nachmittags, und es war, als dämmerte es schon.
    «Marion», sagte Mumford. «Sagt mir gar nichts. Haben Sie das alte Mädchen schon gefragt?»
    «Ich hab die Sache nicht erwähnt. Sie war sowieso schon so aufgeregt, da hab ich einfach nur gebetet.»
    «Sie wirkte ruhiger.»
    «Letzter Punkt», sagte Merrily. «Der umgedrehte Spiegel. Ich dachte erst, es wäre ein Bild, vom Schloss oder so, deshalb wollte ich es mir schnell ansehen, als sie auf der Toilette war.»
    «Spiegel.»

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