Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Mumfords an mich erinnern. Ich habe nur meine Zeitung bei ihnen gekauft.» Er seufzte. «Deshalb fühle ich mich jetzt wohl verpflichtet mitzukommen, obwohl ich immer noch nicht weiß, warum sie ausgerechnet mit mir sprechen will.»
«Mrs. Mumford mochte Sie, weil Sie nicht so viel über Gott geredet haben.»
Bernie schnaubte. «So viele Möglichkeiten gibt’s ja nicht, den Allmächtigen ins Spiel zu bringen, wenn man eine Zeitung kauft.»
Merrily lächelte. Vermutlich hatte er den Laden der Mumfords als Informationsquelle genutzt. Er mochte jovial und unbestimmt wirken, aber Bernie entging nicht viel. Als er sie gefragt hatte, wie es mit dem Beirat für spirituelle Grenzfragen lief, war sie froh gewesen, dass er ihre Augen im Halbdunkel nicht so genau hatte sehen können. Sie hatte gesagt, das sollten sie bei Gelegenheit einmal genauer besprechen. Wenn sie mehr Zeit hatten. Am besten mehrere Stunden.
«Phyllis und Reg müssen schon deutlich über siebzig gewesen sein, als ich sie kennengelernt habe», sagte der Bischof.
«Haben Sie ihren Sohn auch mal gesehen?»
«Ich glaube nicht, aber er hat auch nicht sein ganzes Leben hier verbracht, oder?»
«Nur die beste Zeit, wie’s scheint.»
Sie fuhren zwischen dunklen Nadelbäumen bergauf, an Häusern und einem Hotel vorbei. Eine Kurve machte fast eine Kehrtwende, und plötzlich hatten sie eine Brüstung vor sich.
Merrily bremste. «Gott.»
«Waren Sie noch nie in Whitcliffe, Merrily?»
«Das ist … unglaublich.» Sie brachte das Auto am Rand der schmalen Straße zum Stehen.
Es war, als wäre man im Rund eines Theaters und ganz Ludlow wäre die Kulisse … die beste, geschlossenste Ansicht einer ganzen Stadt, die sie je gesehen hatte – dieses Märchenland im Schein der Abendsonne mit Schloss und alten Straßen, die wie die Speichen eines Rades um die Nabe des Kirchturms verliefen.
Wenige Meter entfernt parkte noch ein Auto, aus dem zwei Männer stiegen, einer davon Mumford. Der andere Mann war größer und trug einen auffallenden Hut. Merrily rollte mit dem Volvo näher heran.
Sie zog den Reißverschluss ihrer Fleecejacke hoch, sodass ihr Priesterkragen nicht mehr zu sehen war. Es war kalt für Ende April, so kalt, dass es Frost geben konnte. Mumford und der Mann mit dem großen Hut kamen auf sie zu.
«Mrs. Watkins, Bischof – das ist Mr. Osman.»
«Gerald.» Der Mann schüttelte dem Bischof die Hand, dann Merrily. Er trug eine Barbour-Jacke, und auch sein breitkrempiger Hut war mit regenabweisendem Wachs beschichtet. Also ein Zugezogener. Abgehärmtes Gesicht, hervorstehende Zähne.
«Mr. Osman ist Schriftsteller», sagte Mumford.
«Na ja, eigentlich Illustrator, und Graphiker … für Bücher. Ich mache Aquarellbilder von der Gegend, mit dazugehörigen Versen. Ein neuer Beruf, jetzt, wo ich im Ruhestand bin, und die Gelegenheit habe, in der Landschaft abzutauchen. Und Kalender. Ich mache auch Kalender. Gerald Osman.»
«Ich glaube, wir haben einen Kalender zu Weihnachten bekommen», sagte der Bischof. «Mit Aquarellen. Hängt in meinem Büro.»
«Wirklich? Sie müssen nachher noch auf ein Glas Wein mit zu uns kommen. Wir wohnen am Fuß des Hügels, diesseits des Flusses. Meine Frau fand es immer so wunderbar, ein Haus mit Blick auf das Schloss zu haben, jetzt ist sie sich da nicht mehr so sicher.»
«Ja», sagte Mumford. «Vielleicht können Sie uns zeigen, Sir, wo Sie sich befanden, als Sie gesehen haben, wie … wie mein Neffe abgestürzt ist.»
«Wie ich schon sagte, es war genau … genau hier. Hier hat man einen besonders guten Blick aufs Schloss, das sehen Sie ja. Und es war früher am Abend, also noch deutlich heller. Ich habe diese Ansicht oft gemalt, zu verschiedenen Tageszeiten», fuhr Osman fort. «Im letzten Licht kann es ziemlich unheimlich aussehen, und im Regen wirkt es oft sehr melancholisch. Aber wenn das Wetter schön ist, sieht das Schloss am frühen Abend richtig lieblich aus – und so gelb wie die Rinde eines reifen Cheddars. Alles ist ganz klar zu erkennen: jeder Vorsprung, jede Spalte.»
«Wenn da oben zwei Menschen gewesen wären, hätten Sie das erkannt?», fragte Mumford.
«Es ist weiter weg, als es scheint, Menschen sieht man also nur ganz klein, und ich habe es auch nicht gleich geschafft, mein Fernglas richtig einzustellen. Als ich so weit war, ist er schon gefallen – ich konnte es gar nicht glauben, das war ein furchtbarer Schock.»
«Aber Sie haben ziemlich viel Zeit im Schloss verbracht»,
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