Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
glauben», sagte der Bischof. «Wie sich alles verändert hat, mein Gott.»
Die Straße wurde schmaler, der Volvo konnte nur noch kriechen. Merrily hatte nicht den Eindruck, dass sich das Stadtzentrum in den letzten fünfhundert Jahren besonders verändert hatte.
Sie hatte ihr Fenster heruntergekurbelt. Die Dämmerung legte sich auf Ludlow wie Staub auf alten Schmuck, die kühler werdende Luft roch nach Holzrauch.
«Ich meinte nicht die Häuser», sagte der Bischof. «Ich meinte die Menschen. Als ich noch hier gewohnt habe, konnte man samstagabends in den Pub gehen, viel mehr konnte man nicht machen. Und jetzt wohnen hier Fernsehschauspieler und Nachrichtensprecher und Politiker. Und was machen die alle? Wo gehen die alle hin? Ins Restaurant. Nennen Sie mich puritanisch …»
«Das wäre unpassend. Dafür haben Sie die falsche Figur.»
«Was sind Sie heute Abend frivol, Merrily.»
«Eigentlich bin ich eher nervös», sagte sie. «Und ich weiß gar nicht genau, warum.»
Die Pläne hatten sich geändert. Andy Mumford wollte, dass sie sich dort trafen, wo der Mann Robbie Walsh hatte fallen sehen. Mumford wollte, dass Merrily über ein paar Dinge Bescheid wusste, ehe sie mit dem Bischof zu seiner Mutter fuhr.
«Wie kam es denn zu dieser Invasion von Restaurants, Bernie?»
«Ich glaube, es gab so ein Koch-Festival, das ein großer Erfolg wurde. Vielleicht ist irgendjemand auf die Idee gekommen, dass teure Mahlzeiten in windschiefen, eichengetäfelten Räumen – unwiderstehlich sind. Ich weiß nicht, warum das ein derartiger Erfolg geworden ist, ich weiß nur, dass es meine Chancen zunichtemacht, jemals wieder hierherzuziehen. Heutzutage sollte man besser eine Beruhigungspille nehmen, bevor man auch nur ins Schaufenster eines Immobilienmaklers in Ludlow schaut. Und das», fuhr er fort, «führt uns zu einem gefährlichen Ungleichgewicht. Das hier war immer eine angenehme Stadt, aber die Leute, die hier geboren sind und sich das Leben hier jetzt nicht mehr leisten können, sind natürlich verärgert. Sogar ich – ich bin zwar nicht hier geboren, aber es gibt nichts Vergleichbares. Wenn man einmal hier war, möchte man nie wieder weg.»
«Spielen Sie Lotto, Bernie?»
«Halten Sie das für eine Sünde, in meiner Position?»
«Solange Sie nicht für das richtige Ergebnis beten.»
Sie kamen jetzt auf den Marktplatz, der im letzten Sonnenlicht rötlich leuchtete.
Ruhevoll, zeitlos, heiter. All das.
Der Bischof beschirmte seine Augen, um sich vor einem unerwarteten Sonnenstrahl zu schützen, dann befanden sie sich wieder im Schatten.
«Immer geradeaus, Merrily. Und dann, wenn Sie denken, jetzt geht’s nicht mehr weiter, folgen Sie der Mauer zu Ihrer Linken.»
Die Mauer. Sie lag in der trüben Dämmerung genau vor ihr, wie eine Filmkulisse, und war vielleicht der Grund dafür, dass diese Stadt überlebt hatte und im einundzwanzigsten Jahrhundert so cool und angenehm geworden war.
Tagsüber war das Schloss, wie Merrily sich erinnerte, ganz offensichtlich eine Ruine, wirkte wie ein großer Spielplatz. Jetzt, im letzten Licht, wirkte es mächtiger, trug seine Geschichte wie einen schweren Militärmantel.
«Hat Katharina von Aragon nicht eine Zeitlang hier gelebt?»
«Zusammen mit dem jung verstorbenen Prinz Arthur», sagte Bernie. «Und dann hat sie seinen Bruder geheiratet, der Henry VIII . wurde, und der Rest ist … Oh, und die beiden unglückseligen Söhne von Edward IV . waren auch hier. Die Prinzen, die im Tower eingekerkert waren. Hier hatten sie vermutlich glücklichere Zeiten erlebt. In der Regel sind die Leute hier glücklicher.»
Sie hielt sich links, wie er gesagt hatte, fuhr an der Mauer entlang. Ludlow Castle: umkämpft, belagert und übel zugerichtet, aber immer noch umarmte es diese Stadt, als würde es sie davon abhalten, Stück für Stück in den Fluss zu bröckeln.
«Hier sind wahrscheinlich Hunderte von Menschen gestorben.»
«Ja, nur dachten wir eigentlich, das mit den Todesfällen wäre vorbei», sagte der Bischof.
Sie fuhren steil bergab durch Dinham, einen weiteren sehr alten Stadtteil von Ludlow mit einer mittelalterlichen Kapelle, und überquerten die Brücke, die über den Fluss Teme führte. Hinter ihnen lag das Schloss – von dieser Seite eine unversehrte Festung. Sie vermutete, dass der höchste Turm der Burgfried war, von dem Robbie Walsh gefallen war.
«Ich hätte zu der Beerdigung kommen sollen», sagte der Bischof. «Aber ich dachte auch nicht, dass sich die
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