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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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schien ihr ganzes Gesicht zu zerfließen wie eine schmelzende Kerze, und ein Schluchzen brach aus ihr hervor, und sie fasste sich ins Gesicht. Merrily stand auf.
    «Sie hat ihn runtergeschubst», sagte Andrews Mutter. «Das hat er mir gesagt.»
    «Was sagst du da?» Mumford starrte seine Mutter an. «Was meinst du denn damit?»
     
    Draußen wehte ein kalter Wind. Merrily sah über den Parkplatz hinweg zum
Tesco
hinüber. Die Kontur des Daches hatte die Form einer Berg-und-Tal-Bahn, offenbar war sie der Linie der dahinter liegenden Hügel nachempfunden worden.
    Das war schon eine spezielle Stadt – selbst der Supermarkt hatte zu harmonieren.
    Sie fühlte sich unzulänglich. Irgendetwas ergab keinen Sinn. Oder es ergab den falschen Sinn. Das Haus, in dem die Mumfords lebten, strahlte Bitterkeit aus. Es lag isoliert neben einer der neuen Straßen, die zum
Tesco
und dem großen Parkplatz führten. Als sie herausgekommen waren, hatte Nigel Saltash Andys Dad gesehen, der mit einer
Tesco
-Tüte über den Parkplatz ging, ein sehniger alter Mann mit Anglerhut.
    «Ich rede mal kurz mit ihm, wenn das in Ordnung ist.»
    Mumford setzte sich auf das Backsteinmäuerchen vor seinem Elternhaus und nickte bedrückt.
    «Der Doc sagt, es sollte sie mal jemand ansehen», sagte Mumford. «Hätte schon vor einiger Zeit passieren sollen. Haben Sie gemerkt, wie er mich angesehen hat?»
    «So sieht er jeden an», sagte Merrily. «Er ist Psychiater.»
    Sie hatte die Hände über ihrem Bauch verschränkt und verdammte die kalten Zweifel, die sie nachts manchmal weckten – die nagende Angst, dass das meiste, was sie tat, nicht mehr war als eine lächerlich altmodische Ablenkung von der Realität.
    «Jetzt nimmt er sich meinen alten Herrn vor, sehen Sie», sagte Mumford. «Als Nächstes schaltet er die Sozialbehörde ein. Das ist –» Er krampfte die Figur um die Steine des Backsteinmäuerchens. «Es ist schlimmer geworden mit ihr, viel schlimmer, seit der Junge gestorben ist.»
    «Ein schwerer Schock kann durchaus solche Auswirkungen haben. Das kann auch verzögert erfolgen. Es muss aber nicht heißen, dass es mit ihr nur noch bergab geht.»
    «In ihrem Alter», sagte Mumford, «kann es da überhaupt noch bergauf gehen?»
    Merrily ging ein paar Schritte. Sie konnte Saltash sehen, aber er war gerade so außer Hörweite. Er hatte den Kopf schief gelegt und lächelte Mumfords Dad auf seine freudlose Weise an. Ihr fiel Huw Owens oberste Regel wieder ein: Verlasse nie ein Haus, in dem Unruhe herrscht, ohne dort gebetet zu haben.
    Hatte sie bei Andys Mutter nicht gebetet, weil sie befürchtete, dass es die Situation verschlimmern würde? Oder weil Nigel Saltash dabei war?
    «Dass ich mit einem Psychiater zusammenarbeite, bedeutet nicht, dass andere mögliche Interpretationen nicht mehr bedacht werden.» Sie biss sich auf die Lippe. Sie hoffte, sie verteidigte ihren Standpunkt nicht nur aus Prinzip. «Was glauben Sie, was meinte sie damit, dass ihn eine Frau von der Schlossmauer geschubst hat?»
    Mumford schüttelte den Kopf. «Das hat sie vorher noch nie gesagt.»
    «Ergibt das denn irgendeinen Sinn?»
    «Es gab einen Zeugen – ein Typ, der auf der anderen Seite des Flusses wohnt. Steve Britton hat mir die Aussage gezeigt. Der Typ hat ihn fallen sehen. Da war nicht die Rede von noch jemandem. Ich … Wie kommt sie auf dieses Zeug? So was hat sie vorher nie gesagt. Ich … muss das überprüfen, oder? Sie haben recht, es ist zu einfach, davon auszugehen, dass sie den Verstand verliert.» Er sprang von dem Mäuerchen. «Ich weiß nicht … Man wird mit jeder neuen Phase seines Lebens mehr zu jemandem, der man nie sein wollte.»
    «Inwiefern?»
    «Ach … zum Beispiel bei Ermittlungen: Mord, Selbstmord, jemand wird vermisst, und immer ist da irgendeine übereifrige Nervensäge in der Familie – nie der Vater, immer jemand, der nicht so eng verwandt ist – und will einem den eigenen Job erklären. Haben Sie diesen oder jenen Aspekt schon bedacht, haben Sie mit Soundso geredet, warum haben Sie das und das noch nicht überprüft? Nach einer Weile möchte man solche Leute erwürgen. Aber die Wahrheit ist, dass es nicht genug Cops gibt, um auch nur die Hälfte von dem zu machen, was gemacht werden muss. Also laufen die Dinge nicht, wie sie sollen, es bleiben Sachen liegen …»
    «Seien Sie gerecht, Andy», sagte Merrily, obwohl sie wusste, dass sie in seiner Situation auch nicht gerecht wäre.
    «Ist offenbar so ’n versponnener Typ –

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