Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
erzählt?»
«Ich glaube, er musste sich selbst erst darüber klarwerden. Na ja, ich wollte es Sie nur wissen lassen, das ist alles. Damit wir einen Schlussstrich ziehen können.»
Merrily hörte leise Schritte, schlug die Augen auf und sah Lol den Mittelgang entlangkommen. Zum Stillen Gottesdienst kam er manchmal, zu den anderen aber nie.
«Glauben Sie wirklich, man könnte darunter einen Schlussstrich ziehen, Bernie?»
«Ich glaube, das müssen wir. Diese ganze Marion-Sache … das wird immer ein Mysterium bleiben.»
«Warum haben Sie mir vorher nie davon erzählt?»
«Schien mir nicht relevant. Außerdem –»
«Sie meinen nicht relevant für das, was ich mache?»
«Sie sind der einzige Mensch, dem ich jemals davon erzählt habe. Meine Freunde eingeschlossen, die damals ihre zehn Pfund behalten konnten. Und ich vertraue darauf, dass Sie es niemandem weitererzählen. Sind Sie in der Kirche, Merrily?»
«Wollen Sie, dass ich auf die Bibel schwöre? Am Telefon? – Tut mir leid. Ja, ich stelle gerade die Bänke um.»
Lol schob ein paar Bänke nach vorne und stellte sie im Kreis auf.
«Ah», sagte der Bischof. «Ihr Meditationsgottesdienst. Läuft das gut?»
«Wir nennen es jetzt einfach Stillen Gottesdienst. Ja, läuft sehr gut, seit wir die Gerüchte von Wunderheilungen zum Schweigen bringen konnten. Manchmal beten wir für bestimmte Menschen, aber das ist auch schon alles. Ich kenne meine Grenzen. Meistens kommen ungefähr zwanzig Leute.»
Zu denen auch Jane gehörte, gelegentlich, und jetzt sogar Lol.
Merrily winkte ihn in die Sakristei, aus der bald ein Souvenirladen werden sollte. Die Wände waren gelb gestrichen und ein paar billige Kiefernregale aufgestellt worden. Unter das Fenster hatte man ein altes viktorianisches Sofa geschoben, das jetzt einen neuen Besitzer suchte, und darauf setzte sich Lol.
«Also, das ist ja ganz schön hier, aber wäre das nicht ein Sakrileg?»
«Ich will nur reden, du Dummkopf.» Merrily schloss die Tür hinter ihnen.
«Ein Sakrileg wäre auch mal ganz aufregend gewesen.» Lol hob die Hände. «Ich mach nur Spaß.»
«Ich weiß. Also – Belladonna?»
«Du könntest recht haben», sagte Lol. «Ich hab Prof angerufen. Er sagt, er ist vor ein paar Monaten gewarnt worden, dass sie in der Gegend lebt und vermutlich an einem neuen Album arbeitet.»
«Als ich in Janes Alter war, ist ihr eine richtige Jüngerschar hinterhergepilgert, obwohl sie nicht besonders berühmt war. Bei ihrem Konzert trugen wir alle schwarze Strumpfhosen, und ich hatte so einen schwarzen Mantel, den ich für ein paar Pfund bei Oxfam gekauft hatte, und einen schwarzen Samthut und eine Menge billige Theaterschminke. Gott sei Dank gibt es davon keine Fotos mehr.»
«Warst du echt ein Grufti?»
«War nur eine Phase. Wir haben uns alle eingehakt und ganz still gestanden, wie Trauernde um den Sarg. Die Musik hat mir ehrlich gesagt gar nicht so gefallen. Zu langsam, etwas zu düster. Und dann diese hysterischen Schreie zwischendurch.»
«Wie sieht sie denn jetzt aus?»
«Hat sich kaum verändert. Trägt so einen langen grauen Umhang, der fast auf dem Boden schleift. Hat noch dieselbe Hakennase und dieselben etwas schiefen Zähne.»
«Aber das wirkt bei ihr nicht unattraktiv. Es ist diese seltsame Schönheit, die so gar nichts Glattes hat», sagte Lol.
«Hmmm.» Sie sah ihn misstrauisch an. «Wie gut kanntet ihr euch damals eigentlich?»
Er lächelte. «Nett von dir, dass du glaubst, dafür wäre ich mit achtzehn mutig genug gewesen. Nein, wir haben einmal beide bei einem extrem schlecht organisierten Festival gespielt. Fand auf einem halbüberfluteten Feld in Oxfordshire statt. Wir sind nicht bis zu ihrem Auftritt geblieben, ich habe sie nie persönlich kennengelernt. Und … ist sie gestern Abend zum Fluss gekommen, weil sie gehört hatte, dass jemand gestorben ist?»
«Sie hat eine Polizistin gefragt, ob es Selbstmord war. Ich fand das merkwürdig. Klang so, als wüsste sie, um wen es ging. Oder vielleicht dachte ich das auch nur, weil mir klarwurde, dass sie wahrscheinlich die Frau ist, mit der Robbie zusammen gesehen wurde. Auf jeden Fall wusste sie, wo er wohnt, denn Mumford hat sie vor dem Haus stehen sehen. Und wir wollten Mrs. Mumford auch noch fragen, ob sie diese merkwürdige Frau persönlich kannte. Wir dachten, das könnte irgendwas lösen.»
Merrily hörte aus dem Kirchenschiff Schritte. Und Lachen, was gut war.
«Bei diesem Konzert, auf dem ich mit siebzehn war»,
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