Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Ganze als teuer und unbedeutend abtun wird. Wenn jemand diesen im Wesentlichen … esoterischen Dienst unbedingt braucht, wird er sich schon die Mühe machen, uns zu finden. Ich kann mich natürlich täuschen.»
«Esoterisch – hat sie dieses Wort benutzt?»
«Wenn ich mich nicht verhört habe.»
«Wir kümmern uns hier also um die Interessen einer Minderheit. Die wollen uns in ein Hinterzimmer verbannen und das Licht ausmachen.»
«Vielleicht auch in einen Schrank», sagte Sophie.
«Wenn diese Website auch nur einen einzigen Menschen davor bewahrt hat –»
«Mich müssen Sie nicht bekehren, Merrily.»
«Nein.»
Sie sahen sich im trüben Licht des Nachmittags an. Das Wasser im Wasserkocher brodelte. Merrily setzte sich an ihren Schreibtisch und knipste die Lampe an.
«Sophie, was mache ich bloß mit dieser verdammten Frau?»
Vormittags hatte sie Huw Owen angerufen und ihm eine Nachricht hinterlassen. Er rief sie kurz nach zwölf zurück, als sie gerade den schwarzen Umhang für die Beerdigung anlegte. Huw hatte nicht besonders viel herausgefunden, und nichts davon war ermutigend.
Abgesehen davon, dass offenbar niemand irgendwelche geheimen Strategien verfolgte. Es gab anscheinend keine Verschwörung. Und keine ernstzunehmende Gruppierung innerhalb oder außerhalb von Canterbury, die das Ziel verfolgte, der Beratung für spirituelle Grenzfragen ein Ende zu bereiten.
Was natürlich nicht bedeutete, dass es nicht doch irgendwo unter der Oberfläche brodelte.
Huw erzählte Merrily, was er über Siân Callaghan-Clarke in Erfahrung gebracht hatte: einundfünfzig Jahre alt, ehemalige Anwältin, was ihr Bedürfnis erklärte, mit Profis zusammenzuarbeiten, zum Beispiel mit Saltash, dem ortsansässigen Sachverständigen. Sie war in Winchester in eine Familie der oberen Mittelklasse hineingeboren worden, die der Hochkirche angehörte und über Grundbesitz verfügte.
«Es heißt», sagte Huw, «dass der Vater sehr konservativ war. Ihr jüngerer Bruder sollte Karriere machen, von Siân wurde erwartet, dass sie gut heiratete und Kinder bekam.»
Siân hatte nicht gut geheiratet, sie hatte überhaupt nicht geheiratet, war als Strafverteidigerin nach Worcester gezogen und hatte es dabei geschafft, zwei Söhne aufzuziehen, die sie von ihrem Kanzleichef hatte, mit dem sie eine bequeme, lose Beziehung führte. Der Mann lebte immer noch in Worcester, und die Söhne waren beide in Oxford.
Und die Kirche?
«Also, das lag in der Familie», sagte Huw. «Der Onkel war Bischof in Norwich. Ihr Bruder – den sie offenbar schon seit frühester Kindheit hasste – ist heute Erzdiakon, in Exeter oder so. Siân hat lobenswerterweise angefangen, einige der Jugendlichen weiter zu unterstützen, die sie verteidigt hat, und dann hat sie beschlossen, dass die Kirche mit ihrem Netzwerk die Möglichkeiten hat, Drogenabhängigen und so zu helfen, diese Möglichkeiten aber nicht nutzte. Das war zu der Zeit, als gerade der Streit um weibliche Pfarrer entbrannt war, die Siâns jüngerer Bruder offenbar strikt ablehnte.»
«Das wird ausgereicht haben», sagte Merrily.
«Allerdings. Das war das rote Tuch. Sie ist Pfarrerin geworden und hat die Jugendlichen sich selbst überlassen.»
Als Pfarrerin, sagte Huw, war Siân genau so, wie sie wirkte: modern und politisch. Sie war bekannt dafür, dem islamischen Fundamentalismus Toleranz entgegenzubringen, sein christliches Äquivalent aber zu verurteilen. Der Evangelisation stand sie misstrauisch gegenüber, ebenso dem Alpha-Training. Widerstand gegen schwule Geistliche hielt sie für irrational bis abergläubisch.
À propos …
«Ach ja … es gab Gerüchte, dass sie in Worcester was mit einem Kerl hatte, der in einem meiner Kurse war, Keiran Winnard – jünger als ich und in jeder Hinsicht charismatisch. Sie ist mit Sicherheit sein Typ: knallblond, stilvoll, und bei Diskussionen besticht sie durch ausgezeichnete Argumentation.»
«Trotzdem ziemlich riskant, oder? Innerhalb der Kirche, innerhalb derselben Diözese?»
«Da waren sie nicht die Ersten. Aber es war wohl ziemlich schnell wieder aus, deshalb ist sie vermutlich auch aus Worcester weggegangen. Oder sie dachte, in Hereford käme sie schneller nach oben. In jedem Fall sieht es so aus, als müsste Hereford auf absehbare Zeit mit ihr auskommen. Genau wie Sie.»
«Vielleicht betrachtet sie die Beratung für spirituelle Grenzfragen ja als ein Mittel, um Kontrolle auszuüben», sagte Merrily zu Sophie.
«Sie meinen, über
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