Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
nicht mehr oft gesehen, seit sie mit Mathiesson zusammengezogen ist. Sie wollten nie, dass ich vorbeikomme. Nicht, solange beide Nachbarn auf Bewährung draußen sind. Ist doch kein Grund, oder? Vielleicht hätt ich was tun können.»
Er setzte seine Brille auf und griff nach der Maus.
«Wahrscheinlich ist der Junge überhaupt nur in Ludlow alleine rausgegangen. Wenn er in den Gassen rumgelaufen ist, war er in seinem Element.»
Er klickte auf ein Symbol und öffnete ein Foto der verschnörkelten Eichenfassade vom
Feathers
in der Corve Street, dahinter ein unwahrscheinlich mediterran blauer Himmel.
«Also, er hat Dokumente und Fotos aus dem Netz runtergeladen und seine eigenen Ordner angelegt. Wenn er seinen Computer angemacht hat, war er wieder in Ludlow. Straßenkarten, Grundrisse, so was.»
«Ein virtueller Himmel», sagte Merrily leise. Sie hustete.
«Okay. Hier …» Mumford öffnete ein Dokument, das die Geschichte verschiedener Gebäude kurz zusammenfasste. Von einigen hatte sie gehört. «Das wollte ich Ihnen zeigen.»
DAS WEHRHAUS
Das Haus trägt diesen Namen erst seit der umfassenden Restaurierung, denn das ehemalige Bauernhaus liegt auf einer Anhöhe unter dem Schloss, mit Blick über die Teme. Die Ursprünge gehen mindestens auf das frühe vierzehnte Jahrhundert zurück, als es von der Palmers’ Guild erworben wurde. Das Fachwerk wurde weitgehend ausgetauscht, ein originaler Holzbalken konnte erhalten werden. Ebenso der Hauptkamin, der vermutlich aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammt und ein Charakteristikum dieses Hauses ist.
NICHT ZU BESICHTIGEN
«Das ist ihr Haus», sagte Mumford. «Das von Mrs. Pepper.»
Ihm stand Schweiß auf der Stirn. Unter einem Auge zuckte ein kleines Netz aus Venen wie ein zerdrücktes Insekt.
«Aber es … Andy, das scheint nur eins von zahlreichen alten Häusern zu sein, die hier aufgelistet sind.»
Er schüttelte den Kopf. «Die anderen sind alle bedeutende historische Gebäude. Das Wehrhaus ist das einzige, bei dem kaum noch historische Substanz erhalten ist. Das einzige, das keine besondere Bedeutung hat. Und das nicht direkt in der Stadt liegt.»
«Aber …»
«Es ist nur dabei, weil es ihres ist.»
«Glauben Sie?»
«Ludlow war der einzige Ort, an dem er sich sicher gefühlt hat …»
«Sicher wovor?»
«Dann eben: an dem er sich frei gefühlt hat.» Er trat einen Schritt vom Bildschirm weg. «Sie müssen selbst mal nachsehen, ob Ihnen irgendwas auffällt.»
Merrily ging an die Tastatur. «Haben Sie sich seine E-Mails angesehen?»
«Nichts.»
«Überhaupt keine E-Mails?»
«Schätze, die sind gelöscht worden – von Ange oder Mathiesson, für den Fall der Fälle.»
«Für welchen Fall?»
«Weiß nicht.»
«Haben Sie nach gelöschten Mails gesucht?»
«Nix. Probieren Sie es ruhig selbst.»
Unter «Gelöscht» fand Merrily eine E-Mail, in deren Betreffzeile stand:
GEISTERTOUREN
. Halber Preis
. Sie öffnete die Mail.
Hi, Robson!
Danke für deine Mail und dein Interesse an den Geistertouren. Ja, Kinder zahlen in der Tat nur den halben Preis. Allerdings darf man die Tour normalerweise erst ab sechzehn mitmachen, es sei denn, ein erziehungsberechtigter Erwachsener ist dabei. Obwohl meistens die Erwachsenen die größte Angst haben!
Gibt es einen Elternteil oder einen Verwandten, der dich begleiten kann? Falls ja: Wir treffen uns freitags und samstags um 20.00 Uhr in der Arena. Sonst komm doch einfach im Laden vorbei, dann sehen wir, was wir machen können!
Viele Grüße,
Jonathan Scole,
Ludlow Geistertouren
«Das ist monatealt», sagte Mumford. «Der Junge hat seine Ferien geplant. Das ist der Geistertouren-Typ, den diese Pepper dafür bezahlt hat, dass er sie rumführt. Ob sie wohl für Robbie den erziehungsberechtigten Erwachsenen gespielt hat, was glauben Sie?»
«Andy, das –»
Merrily drehte sich um. Ein Junge war unter dem Tor hereingeschlüpft. Er sah aus wie zehn oder elf. Sie tippte Mumford auf die Schulter und lächelte dem Kind zu.
«Hallo.»
Der Junge sagte nichts.
Mumford sah ihn mit unverhohlenem Misstrauen an. «Was willst du, Kleiner?»
Das Kind kam weiter in die Garage herein, mit in die Stirn gezogener Baseballkappe. «Was macht ihr da?»
«Wonach sieht’s denn aus?», sagte Mumford. «Wir spielen ein Computerspiel.»
«Was für eins?»
«Sonic», sagte Mumford. «War vor deiner Zeit. Gibt’s nicht irgendwas Gewalttätiges im Fernsehen, was du sehen musst?»
«Sind das die Sachen von
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