Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
überlebt, wenn es keine politisch handelnden Päpste gegeben hätte, keine Reformation, keine Erneuerung und … und …
Ich will nicht, dass es vorbei ist. Das versuche ich zu sagen. Die spirituellen Grenzfragen. Es soll nicht vorbei sein.
Ich dachte, ich würde gerade anfangen … ein bisschen was richtig zu machen. Leuten zu helfen. Manchmal. Es stimmt, bei manchen bin ich zu spät gekommen, um ihnen zu helfen, bei Roddy Lodge zum Beispiel, und bei anderen war ich zu blind – Layla Riddock? Aber im letzten Winter in Stanner hatte ich das starke Gefühl, dass du Nat und Jeremy durch mich eine Chance geben wolltest. Das war … Ich meine, manchmal ist es erstaunlich.
Und natürlich war ich verzweifelt, weil es nicht zu funktionieren schien oder ich es nicht richtig hinbekommen habe. Und ich hatte Schuldgefühle, wenn es erfüllend war. Schuldgefühle, weil ich nur eine Gemeinde hatte.
Muss ich mir Stolz vorwerfen? Gibt es Pfarrer in dieser Diözese – gibt es bestimmt –, die das alles viel besser könnten als ich? Hast DU Siân und Saltash geschickt? Bin ich dumm und naiv und blind? Ist es Dein Wille, dass ich damit aufhöre, es mir wegnehmen lasse, nicht mehr in den Angelegenheiten der Toten herumpfusche und stattdessen sechs, sieben Gemeinden unter mir habe und zusehe, wie uns alles immer mehr durch die Finger rinnt …?
Es tut mir leid. Ich weiß nicht. Ich weiß nicht. Soll ich dagegen kämpfen oder es lassen? Was ist schlimmer, Feigheit oder Stolz?
Hörst Du mir überhaupt noch zu?
Merrily öffnete die Augen, sie stand am Fenster, das Mondlicht beschien die Bäume auf dem Cole Hill, und der Himmel gab ihr keine klaren Antworten.
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Teil drei
Bell
«Im 20. Jahrhundert mag so ein enormer Aufwand für religiöse Rituale merkwürdig wirken, aber im 13., 14. und 15. Jahrhundert waren die meisten Menschen davon überzeugt, dass nur das unablässige Gebet der Pfarrer und der religiösen Orden die Menschheit vor der geistigen Verdammnis und einer weltlichen Katastrophe bewahrte. Dieser Einsatz war entscheidender als wirtschaftliche Investitionen oder die Linderung der Armut.»
Michael Faraday,
Ludlow,
1085
–
1660
(1991)
«Ludlow ist im 18. Jahrhundert zum Erholungsgebiet der Oberschicht geworden, und das Schloss stand im Zentrum der Aufmerksamkeit dieser aufkeimenden Tourismusindustrie … John Byng fand, es sei ‹für eine vornehme, wohlhabende Familie eine der besten Städte, um sich niederzulassen … Ludlow war damit einer der ersten, Touristen-‹Fallen› Englands›.»
David Whitehead, «Symbolism and Assimilation», in:
Ludlow Castle, Its History and Buildings,
hg. v. Ron Shoesmith und Andy Johnson (2000)
24 Alter Weihrauch
Merrily fühlte sich sehr klein und ungeschützt.
Sie trug Jeans und eine grüne Fleecejacke. Sie hatte eine Leinentasche dabei, in der ihre Zigaretten und ihr Handy waren. Um ihren Hals hing eine Kette mit einem winzigen goldenen Kreuz, das vom Ausschnitt ihres grauen T-Shirts verdeckt wurde.
Sie fühlte sich orientierungslos in dieser alten Stadt mit ihren orangefarbenen alten Backsteinen, den krummen Fachwerkbalken und den spitzen Giebeln.
Autos und Lastwagen krochen die Corve Street hinauf, und die Sonne glitt über all das hinweg wie ein weichgekochtes Ei und zog Wolken mit blutigen Säumen hinter sich her.
Und besonders klein fühlte sie sich neben Jon Scole, der die Geistertouren anbot.
«Was trinken, okay, da muss ich mal nachdenken. Aus welchem von diesen beschissenen Edelschuppen bin ich das letzte Mal rausgeschmissen worden?»
Ätherisch wirkte er nicht gerade. Er trug eine Bikerjacke mit zweckfreiem Kettenschmuck. Er wirkte, als wäre er mindestens zwei Meter groß, und er hatte lange Haare und einen Bart und einen starken Akzent. Er zwinkerte Merrily zu und warf seine blonden Locken zurück.
«Ich mach nur Spaß, Mary. Die lieben mich, wirklich. Durch mich kriegen die Kunden, die sie sonst nie zu Gesicht bekommen würden: alte Damen, die einen Kaffee trinken wollen, oder ein Bitter Lemon bestellen, wenn sie mal ganz mutig sind – mit Getränken macht man das meiste Geld. Okay, dann gehen wir ins
Feathers
. Sie sagten doch
Feathers
, oder? Das sagen alle immer.»
«Ich habe gar nichts gesagt», sagte Merrily.
«Hey, aber gedacht, oder? Dem
Feathers
kann niemand widerstehen. Moment mal …» Er hob einen Finger, als wolle er die Windrichtung herausfinden. «Jetzt. Genau.
Feathers Hotel …
Okay!
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