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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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teilzunehmen, wär ich saniert. Im Moment hör ich mir das einfach alles an und hab das Gefühl, ihr Bewusstsein anzuzapfen.»
    Merrily dachte daran, was Lol über Belladonna gesagt hatte.
    «… hab eine Menge kapiert, was Bell betrifft», sagte Jon. «Ich meine, die Musik, das ist nur ein Teil. Das ist eine heftige Frau, Mary.»
    Er verstummte und nickte bekräftigend. «Und ziemlich durchgeknallt ist sie natürlich auch.»
    Sie gingen weiter und blieben unter dem dunklen Dach einer Eibe stehen. Merrily kam sich dumm vor mit ihrer Brille, deren Gläser allem die Farbe reifer Pflaumen verliehen.
    «Ich nehme an», sagte sie, «Sie haben gehört, was sie noch gemacht haben soll. Abgesehen vom Spazierengehen.»
    «Nackt!» Er lachte. «Mit einem Typen. War wohl genau da, wo der ganze Efeu wächst. Nicht schlecht, in ihrem Alter.»
    «Der Bürgermeister war überhaupt nicht entzückt.»
    «Na ja, was erwarten Sie? Ich meine, George Lackland … seine Generation … er ist nicht gerade ein Linker, oder? Ich meine, sie war Rockmusikerin. Die handeln nicht nach Georges Regeln. Die leben auf einem andern Planeten.»
    «George lebt auf dem Planeten Ludlow», sagte Merrily. «Will Bell da nicht auch leben?»
    «Sie will Teil des Ganzen sein, das stimmt. Aber wenn es sie nun mal anmacht, Sex an Orten zu haben, an denen eine bestimmte übersinnliche Energie herrscht … das kann ich nachvollziehen. Wahrscheinlich verschafft ihr das einen zusätzlichen Kick, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    «Ich denke schon, ja.»
    Aber es war immerhin ein Friedhof. Todesfixierte Erotomanie, so hätte Nigel Saltash es vielleicht genannt.
    «Bells gesamte Karriere beruht auf einer Obsession», sagte Jon Scole. «Wenn Sie ihre Musik gehört haben, werden Sie das ja wissen. Sie hat eine Menge Kohle gemacht, aber sie ist zwischendrin auch ein paarmal dem großen T begegnet, sie weiß also, was für ein Drahtseilakt das Leben ist, auch wenn man stinkreich ist. Und sie wird ja nicht jünger. Und jetzt spielt sie nicht mehr, und es ist ihr egal, was die Leute denken. Sie will wissen, was auf sie zukommt.»
    «Das wollen wir alle wissen», sagte Merrily. «Sogar die Geistlichen.»
    «Ja, aber Sie sind abgelenkt, Sie haben zu tun. Diese Frau hat schon alles gemacht. Sie hat alles ausprobiert, was einen im Leben so befriedigt. Was bleibt da noch? Denken Sie da mal drüber nach.»
    «Sie klingen, als würden Sie sie verstehen.»
    «Ich versuche es.»
    «Aber Sie haben doch gesagt, sie wäre völlig durchgeknallt.»
    «Ziemlich durchgeknallt.»
    «Wie kann ich sie kennenlernen?»
    «Sie lernen sie gar nicht kennen. Sie lernt
Sie
kennen … wenn sie will. Sie müssen jemand sein, der sie interessiert.»
    «So wie Robbie Walsh?»
    «Gehen wir wieder raus ins Licht?», fragte Jon Scole.
     
    Sie standen am Eingang der Kapelle, in der Nähe der Informationstafel. Ein junger Mann mit zwei Tüten kam aus der Druckerei und lächelte Merrily an.
    «Glauben Sie diesem Kerl kein Wort. Das Gruseligste, was es in Ludlow zu sehen gibt, ist er selbst nach der Sperrstunde.»
    «Ja, ja …» Jon Scole drohte ihm mit dem Zeigefinger. «Die Bestellung der vierhundert Geistertouren-Faltblätter ist gestrichen!»
    Er hörte auf zu grinsen, als der junge Mann außer Sichtweite war, und sagte kopfschüttelnd zu Merrily: «Was mit Robbie passiert ist, das ist das Schlimmste von allem. So ein wunderbarer Junge. Es war einfach toll, ihn um sich zu haben, verstehen Sie? Sein ganzes Wissen – er war so eine Art Wunderkind. Wenn man ihn rumlaufen sah und sagte: ‹Na, Robbie, alles klar? Alles in Ordnung, Junge?›, dann war es, als müsste er erst mal von irgendwo auftauchen. Blinzel, blinzel – wo bin ich?»
    «War er immer bei den Geistertouren dabei?»
    «Am Ende war er ein fester Bestandteil. Am Anfang ist er einfach nur mitgekommen. Ich konnte ihn ja nicht bezahlen. Die Leute mochten ihn. Er hat meinen halben Job übernommen, wusste alles, über jedes einzelne Haus. Ich nicht, ich war noch nicht lange genug hier. Er hat den Leuten unheimlich gern von der Vergangenheit erzählt. Da war er in seinem Element.»
    «Interessierten ihn Geister?»
    «Nicht unbedingt Geister, aber Geschichte. Ich war für die Geister zuständig, er für die Geschichte. Wir waren ein ziemlich gutes Team, vor allem über Ostern. Wissen Sie, er … konnte einem einen Gesamteindruck vermitteln. Als käme er direkt aus dem Mittelalter. Hat mich völlig fertiggemacht, als er gestorben ist,

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