Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Sie brauchte eine Pause, um über alles nachzudenken, und sie wollte mit Mumford sprechen. Aber noch dringender wollte sie den Bann brechen.
«Na gut, was machen Sie um … sagen wir … um vier Uhr?», fragte Jon. «Wir könnten uns auf dem Parkplatz beim Schloss treffen.»
Merrily nickte. Sie musste sowieso irgendwann hin. Und dieser Mann kannte wenigstens die genaue Stelle. Vier Uhr – da hätte sie Zeit, mit Mumford zu reden und den Innenausstatter zu sprechen, dem Mrs. Pepper, laut George Lackland, einige merkwürdige Anweisungen gegeben hatte.
«Okay.»
«Super. Ich denk so lange über Bell nach. Ich meine, ich bin sicher, dass Sie ihr gefallen werden, als Mensch.» Jon Scole grinste. «Man sagt, dass sie an beiden Ufern fischt.»
«Ich aber nicht, Jonathan.»
«War nur Spaß, Mary.»
26 Die Mischung
Wann immer Merrily jetzt an Andy Mumford dachte, war da diese latente Sorge. Sie wäre nicht besonders überrascht gewesen, ihn wieder in Ludlow herumstreifen zu sehen. Sie hatte das Gefühl, als taumele er am Abgrund entlang, wie Jemima Pegler es getan hatte, und vielleicht auch Robbie Walsh.
Aber als sie ihn, im Volvo sitzend, zu erreichen versuchte, war er zu Hause.
«Wie geht’s?» Seine Stimme klang immer noch höher als gewöhnlich; sicher hasste er das – wann immer er etwas sagte, wurde er an den Jungen mit der Hundekette erinnert.
«Gut.» Der Volvo stand auf dem Parkplatz oben in der Stadt, in der Nähe des Schlosses. Der Himmel hatte sich bezogen, dünne graue Wolken hatten sich wie Rauchglas vor die Sonne geschoben. Merrily knisterte mit dem Zellophanpapier, in dem sich ihr Mittagessen befand, ein Sandwich mit Freiland-Ei und Kresse. «Waren Sie beim Arzt, Andy?»
«Nicht nötig. Ist schon besser geworden.»
«Klingt aber gar nicht so.»
«Das liegt daran, dass es jetzt mehr wehtut.» Mumford lachte keuchend. «Von wo aus rufen Sie an?»
«Ich bin wieder in Ludlow. Hab ein paar Tage frei.» Sie konnte ihm schließlich nichts vom Bischof oder von George Lackland erzählen. «Eine Pfarrerin mit blauem Auge macht sich nicht so gut auf der Kanzel. Und da Sie hier eine
persona non grata
sind, dachte ich, ich … überprüfe mal ein paar Dinge.»
«Das ist gut.»
«Ich habe mit Jonathan Scole geredet.»
«Der wollte mich verarschen.»
«Ich glaube, das ist so seine Art. Aber Robbie scheint er gemocht zu haben. Der arme Junge hatte praktisch ein Gratis-Abonnement für die Geistertouren, und dafür durfte er den Leuten etwas über die Geschichte Ludlows erzählen.»
«Was ist mit der Frau?»
«Die scheint Robbie auch aus Eigeninteresse gemolken zu haben. Wenn ich es jemals schaffe, sie kennenzulernen, erzähl ich’s Ihnen.»
«Danke, Mrs. Watkins», sagte Mumford. Schweigen. «Oh … ich habe auch was gehört. Aus der Zentrale.»
«Haben Sie endlich mit Bliss gesprochen?»
«Nein, nein. Jemand anders aus der Abteilung. Entfernte Verwandte. Cousine zweiten Grades von einem Cousin zweiten Grades, so was.»
Verwandte. In diesem Teil der Welt konnten die Blutsbande noch so locker sein – sie waren dazu da, wiederentdeckt zu werden, wenn man sie brauchte.
«Offensichtlich ist Jason Mebus endlich siebzehn geworden», sagte Mumford.
«Und Sie haben seine Party verpasst.»
«Aber ein paar Kollegen von mir waren da. Jason hatte gestern Abend in den
Orchard Gardens
Ärger. Der Pub im Plascarreg, wissen Sie? Am Ende lagen zwei Jungs zusammengeschlagen auf dem Parkplatz.»
«Und das war Jason?»
«Sie waren zu viert, aber die anderen waren noch nicht strafmündig. Jason hat eine Anzeige wegen Körperverletzung bekommen. Die erste nach dem Erwachsenenstrafrecht.»
«Dann läuft er nicht mehr frei herum?»
«Dafür muss er erst jemanden umbringen. Irgendwer hat für ihn gebürgt. Wenn der Richter so richtig schlechte Laune hat, kriegt er vielleicht ein paar Sozialstunden verpasst, und die anderen kommen mit einem Rüffel weg. Einer von den anderen war übrigens der Junge mit der Kette – Connor Boyd heißt er.»
«Woher wissen Sie das?»
«Der Idiot hatte immer noch die Kette dabei.»
«Ah. Andy … weiß diese entfernte Verwandte, was die mit Ihnen gemacht haben?»
«Ich hab gesagt, ich hätt ’ne Halsentzündung. Ein anderer war Connors Halbbruder, Shane Nicklin, zwölf Jahre alt. Ich schätze, dass war der kleine Schatz, der erst mal allein zu uns reingekommen ist. Steht regelmäßig vor dem Jugendrichter. Hat einem Kleinkind mit dem Luftgewehr ins Auge geschossen,
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