Das Lächeln des Cicero
dabei um einen Fluch. Dann
wiederholte er den Namen noch einmal, als wäre es ein Witz. Er
stand von seinem Hocker auf, ging zu einem Diwan und ließ
sich auf die Kissen sinken. Eine milde Brise wehte durch den Garten
und ließ die vertrockneten Blätter des Papyrus rascheln
und den Akanthus seufzen. Rufus schloß die Augen, und sein
sanfter Gesichtsausdruck erinnerte mich daran, daß er in
Wahrheit noch immer ein Junge war. Ungeachtet seines adligen
Standes und seiner weltmännischen Art trug er nach wie vor das
Gewand der Minderjährigen mit seinen züchtigen langen
Ärmeln, das auch Roscia in eben jenem Moment tragen
mußte, wenn Tiro es ihr noch nicht vom Leib gerissen
hatte.
»Was glaubst du,
was sie jetzt gerade treiben?« fragte Rufus unvermittelt. Er
klappte ein Auge auf und sah meinen verdutzten
Gesichtsausdruck.
Ich tat so, als
verstünde ich nicht, und schüttelte den Kopf.
»Du weißt
schon, wen ich meine«, stöhnte Rufus. »Tiro
braucht ganz schön lange, um seinen Stilus zu holen, oder
nicht? Seinen Stilus!« Er lachte, als habe er den Witz eben
erst begriffen. Aber es war ein kurzes und bitteres
Lachen.
»Dann
weißt du es also«, sagte ich.
»Natürlich
weiß ich es. Es ist gleich beim ersten Besuch von Cicero
passiert. Und danach jedesmal wieder. Ich fing schon an zu glauben,
daß du es nicht bemerkt hättest. Ich hab mich gefragt,
was für eine Art Sucher du bist, wenn etwas derart
Offensichtliches deiner Aufmerksamkeit entgeht. Es ist wirklich
lächerlich, wie offen sie es treiben.«
Er klang
eifersüchtig und verbittert. Ich nickte mitfühlend.
Roscia war schließlich ein sehr begehrenswertes Mädchen.
Ich war selbst ein wenig eifersüchtig auf Tiro.
Ich senkte meine
Stimme und versuchte, nicht herablassend, sondern freundlich zu
klingen. » Er ist schließlich bloß ein Sklave,
der im Leben nicht viel zu erwarten hat.«
»Das ist es ja
gerade!« rief Rufus. »Daß ein blöder Sklave
es schafft, Befriedigung zu finden, während es mir verwehrt
bleibt. Chrysogonus war ebenfalls ein Sklave, und auch er hat
gefunden, wonach er suchte, genau wie Sulla in ihm gefunden hat,
was er suchte, und in Valeria und all seinen anderen Eroberungen
und Ehefrauen. Manchmal kommt es mir so vor, als bestünde die
ganze Welt aus Menschen, die sich gegenseitig finden, während
ich ausgeschlossen bleibe. Und von allen Menschen auf der ganzen
Welt will mich ausgerechnet Sulla - das ist ein Scherz der
Götter!« Er schüttelte den Kopf, lachte jedoch
nicht. »Sulla will mich und kann mich nicht haben; ich will
jemanden, der nicht einmal weiß, daß es mich gibt. Es
ist grausam, auf der ganzen Welt nur einen einzigen Menschen zu
begehren, der dieses Begehren nicht erwidert! Hast du je jemanden
geliebt, der deine Gefühle nicht erwidert hat,
Gordianus?«
»Aber sicher.
Welchem Mann ist es nicht so gegangen?«
Ein Sklave kam mit
einem neuen Becher Wein. Rufus nippte daran, stellte ihn dann auf
den Tisch und starrte ihn trübsinnig an. Mir schien Roscia
soviel Schmerzen nicht wert, aber ich war auch nicht sechzehn.
»So unverfroren offensichtlich«, murmelte er.
»Wie lange werden die beiden wohl brauchen?«
»Weiß
Caecilia davon?« fragte ich. »Oder Sextus
Roscius?«
»Von unseren
Turteltäubchen? Ich bin sicher, sie haben keine Ahnung.
Caecilia lebt auf einer Art Wolke, und wer weiß, was in
Sextus Roscius’ Kopf vor sich geht? Vermutlich würde
sogar er sich verpflichtet fühlen, eine gewisse Empörung
aufzubringen, wenn er erfährt, daß seine Tochter es mit
dem Sklaven eines anderen Mannes treibt.«
Ich wartete einen
Moment, weil ich ihn nicht zu rasch mit Fragen überhäufen
wollte. Ich dachte an Tiro und die Gefahr, mit der er spielte.
Rufus war schließlich jung und frustriert und von vornehmer
Geburt, während Tiro ein Sklave war, der im Haus einer
bedeutenden Frau das Undenkbare tat. Rufus konnte sein Leben mit
einem einzigen Wort für immer vernichten. »Und was ist
mit Cicero - weiß Cicero Bescheid?«
Rufus sah mir direkt
in die Augen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war so seltsam,
daß ich ihn nicht zu deuten wußte. »Weiß
Cicero Bescheid?« wiederholte er flüsternd. Dann war der
Anfall vorbei. Rufus wirkte sehr müde. »Über Tiro
und Roscia, meinst du. Nein, natürlich weiß er nichts.
Er würde so etwas nie bemerken. Solche Leidenschaften nimmt er
gar nicht wahr.«
Rufus ließ sich
tief verzweifelt in die Kissen zurücksinken.
»Ich
verstehe«, sagte ich. »Obwohl es dir
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