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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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vielleicht
schwerfällt, das zu glauben, ich verstehe dich. Roscia ist
natürlich ein prachtvolles Mädchen, aber versetz dich
einmal in ihre Lage. Es gibt für dich keine Möglichkeit,
ihr auf schickliche Art den Hof zu machen.«
    »Roscia?«
Er sah mich verdutzt an und rollte dann mit den Augen. »Was
kümmert mich Roscia?«
    »Ich
verstehe«, sagte ich wieder, ohne irgend etwas zu verstehen.
»Oh. Dann ist es Tiro, den du...« Ich sah mich auf
einmal mit einer ganzen Reihe neuer Komplikationen
konfrontiert.
    Dann erkannte ich die
Wahrheit. Von einem Moment zum nächsten verstand ich, nicht
wegen seiner Worte oder seiner Miene, sondern wegen einer Nuance
des Tonfalls oder Augenaufschlags, die mir eben erst wieder
eingefallen war, ein isolierter Augenblick, der die Erinnerung an
einen anderen auslöst, so wie uns Offenbarungen manchmal
unvorbereitet und scheinbar unerklärlich zuteil
werden.
    Wie absurd, dachte
ich, und gleichzeitig auch wieder rührend, denn wen hätte
die Ernsthaftigkeit seines Leidens nicht gerührt? Die Gesetze
der Menschen streben nach Ausgewogenheit, doch die Gesetze der
Liebe sind der Inbegriff der Launenhaftigkeit. Mir kam es so vor,
als sei Cicero - der gesetzte, pingelige und von
Verdauungsstörungen geplagte Cicero - wahrscheinlich der
letzte Mensch in Rom, der Rufus’ Begierde erwidern
würde; der Junge hätte sich kein hoffnungsloseres
Liebesobjekt aussuchen können. Ohne Zweifel strebte Rufus,
jung und voller intensiver Gefühle, wie er war, den
griechischen Idealen von Ciceros Freundeskreis nach, sah sich als
Alkibiades für Ciceros Sokrates. Kein Wunder, daß ihn
die Vorstellung wütend machte, was Tiro und Roscia in eben
diesem Augenblick genossen, während er von unstillbarer
Leidenschaft und aller angestauter Energie seiner Jugend verzehrt
wurde.
    Ich lehnte mich in
meinen Stuhl zurück, perplex und ohne zu wissen, welchen Rat
ich ihm geben konnte. Ich klatschte in die Hände, winkte eine
Sklavin herbei und bestellte uns neuen Wein.

21
    Der Stallmeister war
nicht begeistert, als er den Bauerngaul sah, auf dem ich anstelle
seiner geliebten Vespa angeritten kam. Eine Handvoll Münzen
und die Versicherung, daß er für seine
Unannehmlichkeiten reichlich belohnt würde, beruhigten ihn
jedoch wieder. Was Bethesda anging, so ließ er mich wissen,
daß sie während meiner gesamten Abwesenheit geschmollt
hatte, in der Küche drei Schüsseln zerdeppert, die ihr
zugeteilte Näharbeit ruiniert und sowohl die Köchin wie
die Haushälterin zum Weinen gebracht hatte. Sein Verwalter
hatte darum gebeten, sie schlagen zu dürfen, was der
Stallmeister jedoch mit Rücksicht auf unsere Absprache
verboten hatte. Er rief einem seiner Sklaven zu, er solle sie
holen. »Ein Glück, daß wir sie los sind«,
fügte er noch hinzu, aber als sie wie eine Königin aus
seinem Haus in die Ställe stolziert kam, bemerkte ich,
daß er seinen Blick kaum von ihr wenden konnte.
    Ich täuschte
Desinteresse vor, sie unnahbare Kühle. Sie bestand darauf, auf
dem Heimweg beim Markt vorbeizugehen, damit wir am Abend etwas zu
essen im Haus hatten. Während sie ihre Einkäufe machte,
schlenderte ich auf der Straße umher und nahm die schmutzigen
Gerüche und Sehenswürdigkeiten der Subura in mich auf,
froh, wieder zu Hause zu sein. Selbst der Haufen frischen Unrats,
den wir bei unserem Aufstieg passieren mußten, tat meiner
guten Laune keinen Abbruch.
    Scaldus, der Sklave
des Stallmeisters, lehnte mit ausgestreckten Beinen an der
Tür. Zunächst glaubte ich, er schliefe, aber als wir uns
näherten, rührte sich der Koloß und sprang mit
alarmierender Behendigkeit auf die Füße. Als er mein
Gesicht sah, entspannte er sich und grinste dümmlich. Er
erklärte mir, daß er sich mit seinem Bruder abgewechselt
hatte, so daß das Haus keinen Augenblick unbewacht gewesen
sei, daß jedoch in meiner Abwesenheit niemand vorbeigekommen
sei. Ich gab ihm eine Münze und sagte, er könne jetzt
gehen, worauf er unverzüglich gehorsam den Hügel
hinabeilte.
    Bethesda sah mich
entsetzt an, aber ich versicherte ihr, daß für unsere
Sicherheit gesorgt war. Cicero hatte versprochen, für die
Bewachung des Hauses aufzukommen. Bevor wir schlafen gingen,
würde ich in der Subura einen Leibwächter
anheuern.
    Sie wollte etwas
sagen, und an der Art, wie sie ihre Lippen schürzte, erkannte
ich, daß es etwas Sarkastisches sein würde. Also
verschloß ich ihren Mund mit einem Kuß. Ich führte
sie rückwärts ins Haus und schloß die Tür

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