Das Lächeln des Cicero
bei meinem ersten Besuch bei Caecilia gesehen
hatte, an den Ausdruck auf dem Gesicht des Mädchens, daran,
wie sie sich ihm, nackt an der Wand, voller Verlangen
entgegengebogen hatte. Ich dachte auch an das lüsterne Funkeln
in den Augen des jungen Lucius Megarus, das bei der Erinnerung an
ihren Aufenthalt im Haus seines Vaters aufgeblitzt war.
»Nein, nicht nur. Wenn du meinst, ob sie gar nichts empfunden
hat, als sie mit dir zusammen war, so würde ich das stark
bezweifeln. Vertrauen ist nie ganz rein, und der Betrug
genausowenig.«
»Wenn sie
Informationen gesammelt hat«, sagte Rufus, »hat sie sie
vielleicht selbst auf ganz unschuldige Weise weitergegeben.
Vielleicht gibt es in Caecilias Haus einen Sklaven oder eine
Sklavin, der sie vertraut, einen Spion, den Chrysogonus dort
plaziert hat und der sie aushorcht, genau wie sie Tiro ausgehorcht
hat.«
Ich schüttelte
den Kopf. »Das glaube ich nicht. Bisher konntest du sie doch
nur treffen, wenn du einen von uns bei einem Gang zu Caecilias Haus
begleitet hast, stimmt’s?«
»Ja...« Er
antwortete zögernd, als ob er die nächste Frage bereits
erwartete.
»Aber irgend
etwas sagt mir, daß Roscia dir diesmal vorgeschlagen hat, sie
heimlich zu treffen - morgen.«
»Ja.«
»Aber woher
weißt du das?« fragte Rufus.
»Weil der
Prozeß näherrückt. Wer auch immer über Roscia
Informationen einholt, hat sie bestimmt gedrängt,
regelmäßiger Bericht zu erstatten, jetzt, wo der
entscheidende Tag ins Haus steht. Sie konnten sich nicht mehr
darauf verlassen, daß es Tiro möglich war, sie
täglich zu treffen. Also haben sie sie gedrängt, ein
Treffen zu arrangieren. Stimmt’s, Tiro?«
»Ja.«
»Und nun haben
wir schon morgen«, sagte ich mit einem Blick in den Garten,
wo Cicero noch immer bemüht war, seine Fassung
zurückzugewinnen. Das Licht war erst rosafarben, dann
ockergelb geworden und verblaßte jetzt rasch zu weiß.
Die Kühle der Nacht war bereits auf dem Rückzug.
»Wann und wo, Tiro?«
Er blickte erneut zu
seinem Herrn, der nach wie vor keine Anzeichen machte
zuzuhören, und tat dann einen tiefen Seufzer. »Auf dem
Palatin. In der Nähe von Caecilia Metellas Haus gibt es
zwischen zwei Grundstücken einen kleinen Park mit Wiese und
Bäumen; dort soll ich sie drei Stunden nach Mittag treffen.
Sie hat gesagt, wenn ich mit dir oder Rufus unterwegs wäre,
sollte ich vorgeben, eine dringende Besorgung für Cicero
machen zu müssen und umgekehrt. Sie hat gesagt, mir würde
bestimmt etwas einfallen.«
»Und das ist
jetzt gar nicht mehr nötig. Weil ich dich begleiten
werde.«
»Was?« Es
war der empörte Cicero, der ins Zimmer zurückkam.
»Kommt gar nicht in Frage! Unmöglich! Es wird keinen
weiteren Kontakt zwischen den beiden geben.«
»Doch«,
sagte ich, »das wird es. Weil ich es so sage. Weil mein Leben
von jetzt an bis zum Prozeß jeden Augenblick in Gefahr sein
wird und ich keinen Weg unbeschritten lassen werde, die Wahrheit
herauszufinden.«
»Aber wir kennen
die Wahrheit doch schon.«
»Tatsächlich? Genau wie
du vor einer Stunde die Wahrheit kanntest, bevor Tiro sein
Geständnis abgelegt hat. Es gibt immer noch mehr Wahrheiten
herauszufinden, und noch mehr und noch mehr. Bis dahin schlage ich
vor, daß wir alle versuchen, ein wenig zu schlafen. Vor uns
liegt ein anstrengender Tag. Rufus hat auf dem Forum zu tun, Tiro
und ich haben eine Verabredung mit der jungen Roscia. Und heute
abend, während du, Cicero, an deinen Notizen arbeitest und an
deiner Rede feilst und Lauchsuppe schlürfst, werden wir drei
eine kleine Feier besuchen, die der ehrwürdige Chrysogonus in
seiner Villa auf dem Palatin veranstaltet. Und nun wünsche ich
dir einen guten Morgen, Cicero, und, wenn du mir einen Platz zum
Schlafen anweisen könntest, auch eine gute
Nacht.«
23
Wie lange mein
Gastgeber geschlafen hatte oder ob er überhaupt zu Bett
gegangen war, weiß ich nicht; ich weiß nur, daß
ich Cicero, als Tiro mich an jenem Mittag in meiner winzigen Kammer
gegenüber dem Arbeitszimmer sanft weckte, mit rauher,
durchdringender Stimme deklamieren hörte, während er in
dem kleinen Garten auf und ab schritt.
»Bedenkt, meine
Herren, die Geschichte, die vor nicht allzu vielen Jahren einem
gewissen Titus Cloelius aus Tarracina widerfahren ist, ein
friedliches Städtchen sechzig Meilen südöstlich von
Rom an der Via Appia. Eines Abends begab er sich nach dem Essen in
demselben Zimmer zur Ruhe, in dem auch seine beiden erwachsenen
Söhne schliefen. Am nächsten Morgen
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