Das Lächeln des Cicero
finden, ihr die Kleider vom Leib zu
reißen und sich in sie zu drängen.«
Sie zitterte und
schwankte, als würde sie ohnmächtig werden. In ihrer
Hilflosigkeit erlaubte sie Tiro, ihre Schultern sanft zu umfassen.
Ihre Stimme klang so entfernt und hohl, als käme sie direkt
vom Mond. »Er lächelt, weil ein Teil von ihm immer noch
nicht glaubt, daß sie ihn töten werden. Er glaubt, er
wird ewig leben, und wenn das stimmt, gibt es für mich keine
Hoffnung, ihn aufzuhalten.«
Ich schüttelte
den Kopf. »Du haßt ihn so sehr, daß es dir egal
ist, wen dein Verrat verletzt und wie viele Unschuldige du damit
vernichtest. Wegen dir wäre ich jetzt schon zweimal fast
umgebracht worden.«
Sie wurde blaß,
jedoch nur für einen Moment. »Keiner, der meinem Vater
hilft, ist unschuldig«, sagte sie dumpf. Tiros Umarmung
begann sich zu lösen.
»Und jeder Mann
darf deinen Körper besitzen, wenn er dir von Nutzen sein
kann?«
»Ja! Ja, und ich
schäme mich deswegen nicht! Mein Vater hat jedes Recht auf
mich, sagt das Gesetz. Ich bin bloß ein Mädchen, ich bin
nichts, ich bin der Dreck unter seinem Fingernagel, kaum besser als
eine Sklavin. Welche Waffen stehen mir zur Verfügung? Was kann
ich einsetzen, um Minora zu schützen? Nur meinen Körper.
Und meinen Verstand. Also benutze ich sie.«
»Selbst wenn
dein Verrat Tod bedeutet?«
»Ja! Wenn das
der Preis ist - wenn andere sterben müssen.« Sie begann
erneut zu weinen, als ihr klar wurde, was sie gesagt hatte.
»Obwohl ich nie daran gedacht und nichts davon gewußt
habe. Ich hasse nur ihn.«
»Und wen liebst
du, Roscia Majora?«
Sie kämpfte gegen
ihre Tränen. »Minora«, flüsterte
sie.
»Und sonst
niemanden?«
»Niemanden!«
»Was ist mit dem
Jungen in Ameria, Lucius Megarus?«
»Woher
weißt du von ihm?«
»Und mit
Lucius’ Vater, dem braven Bauern Titus, dem besten Freund
deines Vaters auf der ganzen Welt?«
»Das ist eine
Lüge«, fuhr sie mich an. »Mit ihm ist nichts
passiert.«
»Du meinst, du
hast dich ihm angeboten, und er hat dich
zurückgewiesen.« Ich war fast genauso überrascht
wie Tiro, als sie es mit ihrem Schweigen eingestand. Er löste
sich ganz von ihr. Sie schien es nicht zu bemerken.
»Wer ist sonst
noch in den Genuß deiner Gunst gekommen, Roscia Majora?
Weitere Sklaven in Caecilias Haus als Gegenleistung dafür,
daß sie deinem Vater nachspioniert haben? Der Spion, der dich
hier trifft, diese Kreatur des Feindes, was ist mit ihm? Was
passiert, wenn du ihm die Informationen gegeben hast, die er
verlangt?«
»Red keinen
Unsinn«, sagte sie stumpf. Sie hatte aufgehört zu weinen
und war jetzt nur noch trotzig.
Ich seufzte.
»Tiro bedeutet dir gar nichts, was?«
»Nichts«,
sagte sie.
»Er war nur ein
Werkzeug, das du benutzt hast?«
Sie sah mir in die
Augen. »Ja«, sagte sie. »Nichts weiter als das.
Ein Sklave. Ein dummer Junge. Ein Werkzeug.« Sie sah ihn kurz
an und wandte sich dann ab.
»Bitte -«
setzte Tiro an.
»Ja«,
sagte ich. »Du kannst jetzt gehen. Wir werden beide gehen. Es
gibt nichts weiter zu sagen.«
Er versuchte nicht,
sie noch einmal zu berühren oder sie auch nur anzusehen. Wir
stapften durch das Gebüsch, bis wir in die Strahlen der
inzwischen tiefer stehenden Sonne traten. Tiro schüttelte den
Kopf und trat in den Boden. »Gordianus, verzeih mir«,
begann er, aber ich unterbrach ihn.
»Jetzt nicht,
Tiro«, sagte ich, so leise ich konnte. »Unser kleines
Stelldichein ist noch nicht ganz vorüber. Ich vermute,
daß man uns auch in diesem Augenblick beobachtet - nein, sieh
dich nicht um; guck nach vorne und tu so, als würdest du
nichts bemerken. Jeden Nachmittag, hat sie gesagt. Sie hat sich mit
dem Mann bestimmt nicht vor dem Treffen mit dir verabredet, sondern
hinterher. Er wartet noch bis wir gegangen sind. Folge mir bis zu
dem Weidenbaum an der Ecke vor Caecilias Haus. Von dort sollten wir
den Zugang zu Roscias Versteck unbemerkt beobachten
können.«
Wir mußten nicht
lange warten. Nur Augenblicke später huschte ein Mann in einer
schwarzen Tunika über die Straße und verschwand in dem
grünen Hohlweg. Wir rannten zurück und bahnten uns einen
Weg in das Grün, bis ich ihre Stimmen hörte. Ich machte
Tiro ein Zeichen stehenzubleiben. Ich spitzte meine Ohren, konnte
jedoch nur ein paar Worte verstehen, bevor ich Roscia durch eine
Schneise zwischen den Eiben erblickte. Das Schicksal wollte es,
daß auch sie mich entdeckte. Einen Augenblick lang glaubte
ich, sie würde schweigen, aber sie war bis zum
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