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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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beginnen.
Bis dahin hatte Cicero längst gegessen und sich ein
Nachtgewand angelegt. Die meisten Sklaven schliefen, und das Haus
war bis auf die Räume, in denen Cicero noch an seiner Rede
arbeiten wollte, verdunkelt. Auf mein Drängen hatte er
widerwillig einige seiner kräftigeren Sklaven als Wächter
auf dem Dach und in der Halle postiert. Es schien unwahrscheinlich,
daß unsere Feinde es wagen würden, Cicero direkt
anzugreifen, aber sie hatten bereits demonstriert, daß sie zu
Schandtaten weit jenseits meiner Erwartungen fähig
waren.
    Ich hatte
ursprünglich erwogen, daß Tiro und ich Rufus in der
Verkleidung von Sklaven begleiten könnten, aber das kam jetzt
wohl nicht mehr in Frage; es bestand aller Grund zu der Annahme,
daß einer der Gäste einen von uns oder beide
wiedererkannte. Statt dessen sollte Rufus allein an der
Gesellschaft teilnehmen und sich vom Haus seiner Familie aus mit
eigenem Gefolge dorthin auf den Weg machen. Tiro und ich
würden draußen im Schatten auf ihn warten.
    Chrysogonus’
Haus war nur wenige Schritte von Caecilias Villa entfernt und lag
ganz in der Nähe von dem Park, in dem Tiro Roscia getroffen
hatte. Im ersterbenden Licht beobachtete ich, wie er den
undurchdringlichen Schatten einen verstohlenen Blick zuwarf, als ob
sie dort noch immer auf ihn warten könnte. Er verlangsamte
seine Schritte, bis er schließlich ganz stehenblieb und in
die Dunkelheit starrte. Ich ließ ihn einen Moment
gewähren und zupfte dann an seinem Ärmel. Er fuhr
zusammen, sah mich stumm an und folgte mir dann rasch.
    Der Eingang zu
Chrysogonus’ Villa war hell erleuchtet, und zahllose
Geräusche drangen herüber. Fackeln säumten den
Portikus, manche steckten in Wandhaltern, andere wurden von Sklaven
getragen. Eine Gruppe von Leier-, Zimbel- und Flötenspielern
musizierte in der Nähe, während ununterbrochen neue
Gäste eintrafen. Die meisten von ihnen hatten sich von
keuchenden Sklaven in Sänften den Berg hinauftragen lassen.
Einige, die selbst auf dem Palatin lebten, waren bescheiden genug,
zu Fuß zu kommen, umgeben von Trauben kriecherischer,
überflüssiger Diener und Sklaven.
    Nachdem die
Sänftenträger ihre Herren vor der Haustür
abgeliefert hatten, wurden sie um eine Ecke zum hinteren Teil des
Hauses geschickt. Das Begleitpersonal wurde auf die
Räumlichkeiten verteilt, in denen sich die Sklaven zum Warten
versammelten, während sich ihre Herren unterhalten
ließen. Es war ein warmer Abend; zahlreiche Gäste
blieben auf der Schwelle stehen, um den Musikern zuzuhören.
Ihre Melodien wehten süßer als Vogelgesang im Zwielicht
herüber. Chrysogonus konnte sich von allem das Beste
leisten.
    »Aus dem
Weg!« Die Stimme klang vertraut und ertönte hinter uns.
Tiro und ich sprangen zur Seite, als rumpelnd eine Sänfte an
uns vorbeisauste. Es war ein offenes Modell, das von zehn Sklaven
getragen wurde. Die Passagiere waren niemand anders als Rufus in
Begleitung seines Halbbruders Hortensius. Rufus hatte gerufen; er
schien sich prächtig zu amüsieren, lachte laut und warf
uns ein verschwörerisches Grinsen zu, als er vorbeikam. Seine
geröteten Wangen deuteten daraufhin, daß er sich
für den Abend Mut angetrunken hatte.
    Hortensius blickte zum
Glück gerade in die andere Richtung und sah uns nicht.
Andernfalls hätte er mich bestimmt erkannt. Mir fiel
plötzlich auf, wie auffällig wir uns benahmen, und ich
zog Tiro in den tiefen Schatten der überhängenden
Äste eines Feigenbaumes. Dort warteten wir eine Weile und
beobachteten, wie die Feiernden und ihr Gefolge eintrafen und im
Haus verschwanden. Wenn Chrysogonus seine Gäste
persönlich begrüßte, tat er das in der Halle; auf
der Treppe ließ sich jedenfalls kein blonder Halbgott
blicken.
    Schließlich
wurde der Strom der Gäste dünner, bis er ganz versiegte.
Anscheinend waren jetzt alle da, obwohl die Fackelträger steif
auf ihrem Platz stehenblieben und die Musiker weiterspielten. Die
Szene wurde zunächst unheimlich und leicht unwirklich, dann
regelrecht gespenstisch: Auf einer in Mondlicht getauchten,
verlassenen Straße versorgten Sklaven in festlicher Kleidung
ein unsichtbares Publikum mit Licht und Musik. Der Ehrengast war
noch nicht eingetroffen.
    Schließlich
hörte ich das Getrampel zahlloser Füße. Ich blickte
mich in die Richtung um, aus der das Geräusch kam, und sah
einen Kasten aus gelber Gaze nahen, hell und flatternd wie von
unsichtbaren Wellen getragen. Er schien ohne jeden Antrieb aus
eigener Kraft zu schweben, und einen

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