Das Lächeln des Cicero
niemand etwas
merkt?«
Das Mädchen
nickte und lächelte, als ob es dumm sei, überhaupt zu
fragen. Dann öffnete sich ihr Mund, sie schnappte nach Luft
und fuhr herum. Die Tür hinter ihr ging langsam
auf.
Der Raum war niedrig
und eng, mit Regalen, Flaschen, Urnen, Schalen und Säcken
vollgestellt. Knoblauch hing von der Decke, und der staubige
Geruch, der vom Boden aufstieg, lag schwer in der Luft. Ich zog
mich, soweit ich konnte, in eine Ecke zurück und drängte
Tiro hinter mich. Im selben Augenblick schlang Rufus seinen Arm um
die Taille des Mädchens, zog sie an sich und preßte
seinen Mund auf ihren.
Die Tür ging auf.
Rufus küßte das Mädchen noch einen Moment
länger, dann lösten sie sich voneinander.
Der Mann in der
Tür war hochgewachsen und breitschultrig, so groß,
daß er fast den ganzen Rahmen füllte. Von hinten fiel
Licht auf sein Haar, das wie ein schimmernder goldener
Heiligenschein um sein im dunkeln liegendes Gesicht lag. Er
kicherte leise und trat näher. Die Lampe, die in der Hand des
Mädchens zitterte, beleuchtete sein Gesicht von unten. Ich sah
das Blau seiner Augen und das Grübchen in seinem breiten Kinn,
die hohen Wangenknochen und die glatte, klare Stirn. Er war nur
wenige Schritte entfernt von mir und hätte mich zwischen den
Tontöpfen und Urnen bestimmt gesehen, wenn es nicht so dunkel
gewesen wäre. Ich bemerkte, daß das Mädchen das
Licht bewußt mit dem Körper abschirmte und ihn mit ihrer
Lampe blendete, um uns in noch tieferen Schatten zu
tauchen.
»Rufus«,
sagte er schließlich, wobei er das Wort mit einem
langgezogenen Zischen ausklingen ließ, als sei es kein Name,
sondern ein Seufzer. Er sagte es noch einmal, diesmal mit einer
merkwürdigen Betonung der Vokale. Seine Stimme war tief und
voll, verspielt, angeberisch und so intim wie eine Berührung.
»Sulla fragt nach dir. Sorex wird jetzt gleich tanzen. Eine
Meditation über den Tod der Dido - hast du sie schon gesehen?
Sulla wäre gar nicht froh darüber, wenn du es
verpaßt.«
Es entstand eine lange
Pause. Ich bildete mir ein, daß Rufus’ Ohren rot
wurden, aber vielleicht war es auch nur das hindurchscheinende
Licht.
»Aber
natürlich, wenn du beschäftigt bist, werde ich Sulla
sagen, daß du einen Spaziergang machst.« Chrysogonus
sprach langsam wie ein Mann, der keinen Grund zur Eile
hat.
Er wandte seine
Aufmerksamkeit dem Mädchen zu. Er ließ seinen Blick
über ihren Körper wandern und griff nach ihr. Wo er sie
berührte, konnte ich nicht erkennen. Sie erstarrte, keuchte,
und die Lampe in ihrer Hand zitterte. Tiro zuckte hinter mir. Ich
legte meine Hand auf seine und drückte sie fest.
Chrysogonus nahm dem
Mädchen die Lampe ab und stellte sie auf ein Regal. Er
löste den Knoten, der ihr Gewand am Hals zusammenhielt, und
streifte es über ihre Schultern. Es flatterte an ihrem
Körper hinab wie landende Tauben, bis sie nackt vor uns stand.
Chrysogonus machte einen Schritt zurück, schürzte seine
wulstigen Lippen und musterte mit schweren Lidern erst Rufus und
dann das Mädchen. Er lachte leise. «Wenn du sie haben
willst, junger Messalla, kannst du sie natürlich haben. Ich
verwehre meinen Gästen nichts. Welches Vergnügen du in
diesem Haus auch immer finden magst, es gehört dir, ohne
daß du erst fragen mußt. Doch du brauchst es nicht wie
ein Schuljunge zu tun, der sich in der Speisekammer rumdrückt.
Im oberen Stockwerk gibt es genug bequeme Zimmer. Laß sie dir
von dem Mädchen zeigen. Laß sie nackt durch das Haus
flanieren, wenn du willst - reite sie wie ein Pony! Es wäre
nicht das erste Mal.« Er berührte sie erneut, sein Arm
bewegte sich, als würde er eine Spur quer über ihre
nackten Brüste zeichnen. Das Mädchen stöhnte und
zitterte, blieb jedoch absolut still stehen.
Er wandte sich zum
Gehen, drehte sich jedoch noch einmal um. »Aber mach nicht zu
lange. Sulla wird mir vergeben, wenn du diesen Tanz verpaßt,
aber am späteren Abend wird Metrobius einen neuen Gesang
vorstellen von... ah, egal, von irgendeinem dieser Speichellecker -
wer kann sich schon all die Namen merken? Der arme Narr ist heute
abend hier und will sich einschmeicheln. Nach allem, was ich
gehört habe, ist es eine Huldigung an die Götter,
daß sie uns einen Mann gesandt haben, der den
Bürgerkrieg beendet hat: »Sulla, Liebling Roms, Retter
der Republik, beginnt es, glaube ich. Und ich bin sicher, daß
es genauso ekelerregend fromm weitergeht - außer...«
Chrysogonus lächelte und lachte dann hinter
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