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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Nachbarschaft vom Klang der Stimmen, Saiten,
Trommeln und Flöten widerhallt. Und nachts hört man den
Lärm seiner Gelage - Akrobaten treten auf, und Poeten
deklamieren anzügliche Verse zu seiner Erbauung. Könnt
ihr euch die täglichen Aufwendungen für einen derartigen
Lebensstil vorstellen, ihr Richter? Die Kosten für seine
Garderobe? Den Etat für seine ausschweifende Unterhaltung und
das reichhaltige Essen? Man sollte seine Behausung eigentlich gar
nicht Haus nennen, sondern vielmehr eine Brutstätte der
Liederlichkeit und eine Herberge aller Laster. Das gesamte
Vermögen eines Sextus Roscius würde kaum einen Monat
reichen!
    Schaut euch den Mann
an, werte Richter - dreht euch um und seht ihn euch an! Wie er mit
seinem wohlfrisierten und pomadisierten Haar überall auf dem
Forum herumstolziert mit seinem Gefolge aus römischen
Bürgern, die ihre Toga entweihen und sich in der Gefolgschaft
eines Ex-Sklaven zeigen! Seht, wie er auf alle herabblickt und sich
für absolut einzigartig hält, wie er sich aufbläst,
als sei allein er reich und mächtig.«
    Ich sah mich über
die Schulter um. Jeder, der Chrysogonus in diesem Moment
möglicherweise zum erstenmal sah, hätte ihn nie und
nimmer für einen gutaussehenden Mann gehalten. Sein Gesicht
war so rot und aufgequollen, als stünde er am Rand eines
Schlaganfalls. Seine Augen drohten aus ihren Höhlen zu
platzen. Ich hatte noch nie soviel angestaute Wut in einem so
starren Körper gesehen. Wenn er buchstäblich explodiert
wäre, es hätte mich nicht gewundert.
    Auch Cicero konnte von
der Rostra aus deutlich die Wirkung erkennen, die seine Worte
zeitigten, und er fuhr ohne Pause fort. Auch seine Wangen waren vor
Aufregung gerötet. Er redete schneller, bewahrte jedoch die
vollständige Kontrolle über sich, ohne sich auch nur
einmal zu versprechen oder um ein Wort verlegen zu sein.
    »Ich
fürchte, meine Anwürfe gegen diese Kreatur könnte
mancher von euch mißverstehen, könnte glauben, ich wolle
die Sache des Adels oder ihres Helden Sulla angreifen, die sich in
den Bürgerkriegen als siegreich erwiesen hat. Dem ist nicht
so. Diejenigen, die mich kennen, wissen, daß ich mir
während der Kriege Frieden und Versöhnung gewünscht
habe, da eine Versöhnung aber unmöglich war, ging der
Sieg an die rechtschaffenere Seite. Das ist durch das Wohlwollen
der Götter, durch den Einsatz des römischen Volkes und
natürlich durch die Weisheit, die Befehlsgewalt und das
Glück von Lucius Sulla vollbracht worden. Es ist nicht an mir,
die Belohnung der Sieger und die Bestrafung der Besiegten in Frage
zu stellen. Aber ich kann nicht glauben, daß der Adel zu den
Waffen gegriffen hat, nur damit seine Sklaven und Ex-Sklaven sich
an unserem Vermögen und Besitz bereichern
können.«
    Ich hielt es nicht
länger aus. Meine Blase drohte ebenso bald zu platzen wie
Chrysogonus’ aufgeblähte Wangen.
    Ich erhob mich von
meinem Platz und drängte mich seitlich an ein paar Adligen
vorbei, die mich der Störung wegen anknurrten und
hochnäsig den Saum ihrer Toga rafften, als ob die bloße
Berührung durch meinen Fuß den Stoff beflecken
würde. Während ich mich durch den überfüllten
Gang zwischen der Richterbank und der Tribüne zwängte,
warf ich einen Blick auf den Platz und empfand die eigenartige
Losgelöstheit eines anonymen Zuschauers, der das Auge des
Sturms verläßt - Cicero gestikulierte leidenschaftlich,
die Menge verfolgte angespannt jede seiner Bewegungen, Erucius und
Magnus bissen die Zähne aufeinander. Zufällig sah Tiro zu
mir herüber. Er lächelte und sah dann auf einmal zutiefst
beunruhigt aus. Er winkte mich krampfhaft zu sich herüber. Ich
lächelte und machte eine abwehrende Handbewegung. Er
gestikulierte noch heftiger und machte Anstalten, von seinem Platz
aufzustehen. Ich wandte ihm den Rücken zu und eilte weiter.
Wenn er mich zu einer letzten eiligen Besprechung zitieren wollte,
mußte das Zeit haben, bis ich dringlichere Geschäfte
erledigt hatte. Erst später wurde mir klar, daß er mich
vor der Gefahr in meinem Rücken hatte warnen
wollen.
    Am Ende der
Tribüne kam ich an Chrysogonus und seiner Gefolgschaft vorbei.
In jenem Moment bildete ich mir unwillkürlich ein, die Hitze
spüren zu können, die sein blutrotes Antlitz
ausstrahlte.
    Ich bahnte mir einen
Weg durch die Schar der Bediensteten und Sklaven, die den Raum
hinter der Tribüne füllten. Die dahinter liegende
Straße war menschenleer. Einige Zuschauer, denen es an
Bürgerstolz mangelte, hatten

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