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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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nicht etwa, daß man dich in einer
Toga findet, die außer mit Blut auch noch mit Pisse besudelt
ist, oder doch?«
    Eine Gestalt tauchte
hinter ihm auf - ein weiterer Zuschauer, der gekommen war, die
Latrine zu benutzen. Ich hoffte, Glaucia würde sich nur
für einen Moment umsehen, lange genug, daß ich auf ihn
zustürzen und ihm möglicherweise zwischen die Beine
treten konnte - aber Glaucia lächelte mich nur an und hielt
seine Klinge so hoch, daß der Neuankömmling sie sehen
konnte. Er war sofort wieder verschwunden.
    Glaucia
schüttelte den Kopf. »Jetzt kann ich dir keine Wahl mehr
lassen«, sagte er. »Jetzt muß ich es schnell
erledigen.«
    Er war groß. Und
er war auch tolpatschig. Er stürzte auf mich zu, und es gelang
mir erstaunlich leicht, ihm auszuweichen. Ich zückte meinen
eigenen Dolch und hoffte, ihn vielleicht gar nicht zu brauchen,
wenn es mir gelang, ihm zu entwischen. Ich rannte los, rutschte auf
dem vollgepißten Boden aus und schlug kopfüber auf den
harten Stein. 
    Das Messer glitt aus
meiner Hand und rutschte außer Reichweite. Verzweifelt kroch
ich auf allen vieren hinter ihm her. Es war noch etwa eine
Armlänge entfernt, als etwas mit enormer Kraft auf meinen
Rücken schlug und mich flach niederstreckte.
    Glaucia trat mir ein
paarmal in die Rippen und drehte mich dann um. Sein fettes Gesicht,
das grinsend über mir schwebte und langsam näher kam, war
das Häßlichste, was ich je gesehen hatte. So sollte es
also enden, dachte ich: Ich würde nicht als zahnloser alter
Mann in Bethesdas Armen sterben, ihren lieblichen Gesang im Ohr,
die süßen Düfte meines Gartens in der Nase, sondern
im erstickenden Gestank einer verschmutzten Latrine, vollgesabbert
von einem widerwärtigen Mörder, das Echo von Ciceros
dröhnender Stimme im Ohr.
    Ich vernahm ein
gleitendes Geräusch, als ob ein Messer über Stein
rutschen würde, und etwas Spitzes traf mich in der Hüfte.
Ich glaubte ganz ernsthaft und mit dem Vertrauen, das ansonsten den
reinen Vestalinnen Vorbehalten ist, daß mein Messer irgendwie
zu mir zurückgeglitten sei, schlicht und einfach, weil ich es
so wollte. Ich hätte danach greifen können, hätte
ich nicht mit beiden Armen vergeblich versucht, mir Glaucia vom
Leibe zu halten. Ich starrte in seine Augen, fasziniert von dem
puren Haß, den ich darin erblickte. Plötzlich sah er
auf, und im nächsten Moment war da ein Stein von der
Größe eines Brotlaibs an seinem Stirnverband, als sei er
plötzlich aus seinem Kopf hervorgetreten wie Minerva aus
Jupiters Stirn. Der Stein blieb an Ort und Stelle, wie angeklebt
von dem sofort austretenden Blut - nein, der Stein wurde von zwei
Händen dort festgehalten, die ihn krachend auf den Kopf des
Riesens hatten niedersausen lassen. Ich schielte nach oben und
entdeckte den auf dem Kopf stehenden Tiro vor dem blauen Himmel
darüber.
    Er schien nicht
glücklich darüber, mich zu sehen. Fortwährend
zischte er mir etwas zu, immer wieder, bis meine Hand (nicht mein
Ohr) endlich das Wort Messer verstand. Irgendwie gelang es mir, den
Arm so zu verdrehen, daß ich nach dem Messer greifen konnte,
das Tiro dorthin getreten hatte. Ich hielt es aufrecht vor meiner
Brust. Es gibt kein lateinisches Wort, aber es sollte eines geben,
für das eigenartige Gefühl des Wiedererkennens, das ich
empfand, als hätte ich genau dasselbe schon einmal getan. Tiro
hob den schweren Stein in die Luft und ließ ihn erneut auf
Glaucias bereits eingeschlagene Stirn niedersausen, worauf der
Riese wie ein Berg über mir zusammenbrach und Ecos Klinge sich
bis zum Heft in sein Herz bohrte.
    »Duldet nicht,
daß diese Bösartigkeit sich länger in diesem Staate
austobt«, rief eine Stimme aus der Ferne. »Beseitigt
sie! Weist sie zurück! Denn durch sie sind so viele Römer
in gräßlichster Weise ums Leben gekommen. Schlimmer
noch! Sie hat uns innerlich ärmer gemacht. Die
fortwährenden Scheußlichkeiten haben uns betäubt.
Sie haben in dem für seine Barmherzigkeit bekannten Volk das
Mitgefühl zum Schweigen gebracht. Denn wenn die Konfrontation
mit der Gewalt alltäglich wird, dann verlieren auch die
sanftesten Wesen jegliches Gefühl für
Menschlichkeit.«
    Es entstand eine
Pause, dann hörte man den Widerhall von donnerndem Applaus.
Verwirrt und blutbedeckt glaubte ich einen Moment lang, der Jubel
müsse mir gelten. Die Wände der Latrine sahen
schließlich ein wenig aus wie die Umrandung einer Arena, und
Glaucia war so tot wie ein toter Gladiator. Doch als ich
aufblickte, sah

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