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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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ich lediglich Tiro, der mit verzweifelter und
angeekelter Miene seine Tunika glattstrich.
    »Ich habe den
Schluß verpaßt!« fuhr er mich an. »Cicero
wird wütend sein. Beim Herkules! Wenigstens hab ich kein Blut
abgekriegt.« Mit diesen Worten drehte er sich um, verschwand
und ließ mich allein unter einer riesigen Masse toten
Fleischs zurück.

31
    Cicero gewann den
Prozeß. Eine überwältigende Mehrheit der
fünfundsiebzig Richter, einschließlich des Praetors
Marcus Fannius, stimmte dafür, Sextus Roscius von der Anklage
des Vatermordes freizusprechen. Nur die parteiischsten Sullaner,
unter ihnen eine Handvoll neuer Senatoren, die direkt vom Diktator
ernannt worden waren, stimmten für schuldig.
    Die Masse war ebenso
beeindruckt. Ciceros Name sowie Zitate seiner Rede machten
überall in Rom die Runde. Noch Tage später konnte man am
offenen Fenster einer Taverne oder einer Schmiede Vorbeigehen und
hören, wie Männer, die nicht einmal dabeigewesen waren,
einige von Ciceros Parade-Attacken gegen Erucius wiederholten oder
lautstark seine Kühnheit rühmten, Chrysogonus
anzugreifen. Seine Bemerkungen über das Land- und
Familienleben und sein Respekt vor den Pflichten eines Sohnes und
den Göttern fanden allgemeine Zustimmung. Über Nacht
hatte er sich den Ruf eines tapferen und gottesfürchtigen
Römers erworben, eines Bannerträgers der Gerechtigkeit
und der Wahrheit.
    An jenem Abend wurde
im Haus von Caecilia Metella eine kleine Feier abgehalten. Rufus
war da, strahlend und euphorisch, und trank ein wenig zuviel Wein.
Ebenso die Männer, die mit Cicero auf der Verteidigerbank
gesessen hatten, Marcus Metellus und Publius Scipio, sowie eine
Handvoll weiterer Helfer, die sich hinter den Kulissen irgendwie
nützlich gemacht hatten. Sextus Roscius wurde der Ehrenplatz
auf dem Sofa zur Rechten seiner Gastgeberin zugewiesen; seine Frau
und seine älteste Tochter saßen bescheiden auf
Stühlen hinter ihm. Tiro durfte ebenfalls hinter seinem Herrn
sitzen, damit er an der Feier teilnehmen konnte. Sogar ich wurde
eingeladen und mit einem Sofa ganz für mich alleine bedacht
sowie einem Sklaven, dessen Aufgabe es war, mir Köstlichkeiten
von der Tafel anzureichen.
    Roscius war vielleicht
der nominelle Ehrengast, doch das ganze Gespräch drehte sich
um Cicero. Seine Anwaltskollegen zitierten mit
überschwenglichem Lob die brillanteren Passagen seiner Rede,
fielen mit vernichtendem Spott über Erucius’ Vorstellung
her und lachten laut bei der Erinnerung an seinen Gesichtsausdruck,
als Cicero es zum erstenmal gewagt hatte, den Namen des
Goldengeborenen zu erwähnen. Cicero nahm ihr Lob mit
freundlicher Bescheidenheit entgegen. Er ließ sich zu einem
Schlückchen Wein überreden, und es brauchte nicht viel,
um seine Wangen in rotem Glanz erstrahlen zu lassen. Zweifelsohne
ausgehungert vom Fasten und der Anstrengung ließ er seine
gewohnte Vorsicht außer acht und aß wie ein Pferd.
Caecilia rühmte seinen Appetit und sagte, es sei ein
Glück, daß er diese Siegesfeier möglich gemacht
habe, weil man sonst all die Delikatessen, deren Zubereitung sie
ihrem Personal schon vorher aufgetragen hatte - Algen und Muscheln,
Drosseln auf Spargel, purpurroter Fisch in Stachelschnecken,
Feigenspieße in Früchtekompott, gekochter Saueuter,
Mastgeflügel in Blätterteig, Ente, Eber und Austern ad
nauseam weil man sonst all diese Köstlichkeiten als Gabe
für die Armen in irgendeiner Gasse der Subura hätte
abladen müssen.      
    Während ich
meinen Sklaven um einen dritten Nachschlag von den bithynischen
Pilzen losschickte, begann ich mich zu fragen, ob diese Feier nicht
ein wenig voreilig war. Sicher, Sextus Roscius war mit dem Leben
davongekommen, aber solange sein Besitz in der Hand seiner Feinde,
ihm die Bürgerrechte wegen der Proskription aberkannt und der
Mord an seinem Vater ungesühnt blieben, hing er
gewissermaßen in der Luft. Er war der Vernichtung entgangen,
aber wie standen seine Chancen auf ein anständiges Leben?
Seine Anwälte waren nicht in der Stimmung, sich über die
Zukunft Sorgen zu machen. Ich hielt meinen Mund und öffnete
ihn nur, um über ihre Witze zu lachen oder mir noch mehr Pilze
hineinzustopfen.
    Den ganzen Abend sah
Rufus Cicero mit leidenschaftlicher Sehnsucht an, doch ich schien
der einzige zu sein, der das bemerkte. Wie konnte ich mich, nachdem
ich heute Zeuge von Ciceros Auftritt geworden war, noch über
seine unerwiderte Leidenschaft lustig machen? Tiro machte einen
recht zufriedenen Eindruck,

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