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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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ihre Notdurft in der
nächstbesten Gosse verrichtet und einen stechenden Uringestank
in der Luft hinterlassen, aber meine Blase war nicht so schwach,
daß ich es nicht noch bis zur nächsten öffentlichen
Latrine ausgehalten hätte. Hinter dem Heiligtum der Venus,
direkt oberhalb der Cloaca Maxima, gab es eine schmale Nische mit
angeschrägtem Fußboden und Abflüssen an den
Wänden, die ausdrücklich für diesen Zweck vorgesehen
war.
    Ein Mann mit ergrautem
Bart und einer makellos weißen Toga verließ eben den
Ort, als ich herankam. Er nickte mir zu. »Spektakulärer
Prozeß, was?« keuchte er.
    »Kann man wohl
sagen.«
    »Und dieser
Cicero ist kein schlechter Redner.«
    »Ein
erstklassiger Redner«, pflichtete ich ihm hastig bei. Der
alte Mann ging. Ich stand an der Innenmauer, starrte auf die
Kalksteinrinne und hielt wegen des Gestanks den Atem an. Dank einer
Merkwürdigkeit der Akustik konnte ich Cicero von der Rostra
hören. Seine Stimme war verhallt, aber deutlich zu vernehmen:
»Das letztendliche Ziel der Ankläger ist so
offensichtlich wie verständlich: Es geht um nichts anderes als
um die vollständige Beseitigung der Kinder des Geächteten
mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Euer Eid und die
Hinrichtung von Sextus Roscius sind die ersten Schritte dieser
Kampagne.«
    Cicero kam zum
Schluß. Ich schloß die Augen, die Schleusen
öffneten sich, und ich genoß ein Gefühl
unbeschreiblicher Erleichterung.
    In diesem Moment
hörte ich ein leises Pfeifen hinter mir und hielt mitten im
Fluß inne. Ich sah mich über die Schulter um und sah
zehn Schritte hinter mir Mallius Glaucia stehen. Er strich mit der
Hand über seine Tunika, bis sich seine Finger um die
unverkennbare Form eines in den Falten um die Hüfte
versteckten Dolches schlossen. Er tätschelte den Knauf mit
einem obszönen Grinsen, als ob er sein Glied halten
würde.      
    »Seid wachsam,
ihr Richter, daß nicht durch euch hier und heute eine zweite
und viel grausamere Welle der Proskription in Gang gebracht wird.
Die erste richtete sich zumindest gegen Männer, die sich
verteidigen konnten; die Tragödie, die ich heraufziehen sehe,
wird sich gegen die Kinder der frühen Geächteten richten,
gegen Säuglinge in ihren Windeln! Bei den unsterblichen
Göttern, wer weiß, wohin eine solche Abscheulichkeit
diese Republik führen könnte?«
    »Nur zu«,
sagte Glaucia. »Beende ruhig, was du angefangen
hast.«
    Ich ließ den
Saum meiner Tunika fallen und drehte mich um.
    Glaucia lächelte.
Er griff langsam in seine Tunika, zog das Messer hervor und spielte
damit herum. Dann kratzte er mit der Spitze über die Wand, ein
Geräusch, das ich bis in die Zahnwurzeln spürte.
»Das ist mein Ernst«, sagte er. »Glaubst du, ich
würde einen Mann von hinten beim Pissen
erstechen?«
    »Durchaus
vernünftig und ehrenhaft«, stimmte ich ihm zu, um
Festigkeit in der Stimme bemüht. »Was willst
du?«
    »Dich
umbringen.«
    Ich zog scharf die
Luft ein, die nach abgestandenem Urin stank. »Jetzt? Immer
noch?«
    »Genau.«
Er hörte auf, mit dem Messer an der Wand entlangzukratzen, und
berührte die Spitze mit der Kuppe seines Daumens. Blut quoll
aus dem Fleisch. Glaucia lutschte es ab.
    »Kluge
Männer, die so viel Ansehen und Macht besitzen wie ihr, werte
Richter, haben die Verpflichtung, den Mißständen
abzuhelfen, an denen diese Republik am meisten
leidet...«
    »Aber warum. Der
Prozeß ist praktisch gelaufen.«
    Anstatt mir zu
antworten, lutschte er weiter an seinem Daumen und begann erneut,
mit der Messerspitze über den Stein zu kratzen. Er starrte
mich an wie ein monströses schwachsinniges Riesenbaby. Das
Messer in meiner Tunika konnte es mit seinem aufnehmen, aber seine
Arme waren mindestens zwei Handbreit länger als meine. Meine
Chancen standen nicht gut.
    Das Kratzen der Klinge
über die Wand hörte auf. Er nahm seinen Daumen aus dem
Mund und sah mich ganz ernsthaft an. »Aber das hab ich dir
doch schon gesagt: Ich will dich umbringen. Willst du jetzt zu Ende
pissen oder nicht?«
    »jeder von euch
weiß, daß das römische Volk einst in dem Ruf
stand, im Sieg gnädig und milde gegen seine ausländischen
Feinde zu sein; doch noch heute wenden sich Römer mit
schockierender Grausamkeit gegeneinander.«
    Glaucia machte ein
paar Schritte auf mich zu. Ich trat zurück und stand jetzt mit
dem Rücken an der Wand direkt über dem Abfluß. Ein
durchdringender Gestank von Exkrementen und Urin stieg in meine
Nase.
    Er kam näher.
»Und? Du willst doch

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