Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
hättest
bei dem heißen Wetter nicht soviel laufen sollen. Du
hättest die reiche Frau dazu bringen sollen, dir eine
Sänfte zu bestellen.«
    Ich zuckte mit den
Achseln. Bethesda streichelte meinen Hals. Ich ergriff ihre Hand
und strich mit ihren Fingern über meine Lippen. »So zart
und weich. Du arbeitest hart, Bethesda - ich necke dich zwar oft
wegen deiner Faulheit, aber eigentlich weiß ich, daß
das nicht stimmt -, und trotzdem sind deine Hände so zart wie
die einer Vestalin.« 
    »Das hat mir
meine Mutter beigebracht. In Ägypten weiß selbst das
ärmste Mädchen, wie es ihren Körper pflegt und sich
schön hält. Nicht wie die römischen Frauen.«
Auch ohne die Augen zu öffnen, konnte ich die Miene sehen, zu
der sie ihr Gesicht verzog, verächtlich und hochmütig.
»Schmieren sich Cremes und Schminke ins Gesicht, als ob sie
Mörtel zum Mauern verstreichen würden.«
    »Die Römer
haben keinen Stil«, gab ich ihr recht. »Keine Eleganz.
Vor allem die Frauen. Die Römer sind viel zu schnell zu reich
geworden. Sie sind ein primitives und vulgäres Volk, dem die
ganze Welt gehört. Früher einmal hatten sie wenigstens
Manieren. Ein paar haben vermutlich immer noch
welche.«
    »Wie
du?«
    Ich lachte.
»Nein, nicht ich. Ich habe weder Manieren noch Geld. Ich habe
nur eine Frau, eine Katze und ein Haus, das ich mir nicht leisten
kann. Ich dachte an Cicero.«
    »Nach deiner
Beschreibung scheint er ein sehr anspruchsloser Mann zu
sein.«
    »Ja, Bethesda,
Cicero hat nichts, was dich interessieren
würde.«
    »Aber der
Junge...«
    »Nein, Bethesda,
Rufus Messalla ist selbst für deinen Geschmack zu jung, und
viel zu reich.«
    »Ich meinte den
Sklavenjungen. Der dich abgeholt hat. Den du mit dem Mädchen
gesehen hast. Wie sieht er ohne Kleidung aus?«
    Ich zuckte die
Schultern. »Ich hab ihn kaum gesehen. Zumindest nicht die
Teile, die dich interessieren würden.«
    »Vielleicht
weißt du ja nicht, welche Teile mich interessieren
würden.«
    »Vielleicht
nicht.« Mit geschlossenen Augen sah ich sie wieder vor mir,
gegen die Wand gedrückt, sich zuckend gemeinsam bewegend,
zitternd in einem Rhythmus, von dem die ganze Welt ausgeschlossen
war. Bethesda ließ ihre Hand unter meine Tunika gleiten und
begann, meine Brust zu streicheln.
    »Was ist danach
passiert? Sag mir nicht, daß man sie erwischt hat, sonst
werde ich ganz traurig.«
    »Nein, man hat
sie nicht erwischt.«
    »Hast du dem
Jungen zu verstehen gegeben, daß du ihn beobachtet
hast?«
    »Nein. Ich bin
dann den Flur entlanggegangen, bis ich auf Cicero und Rufus
gestoßen bin, die mit Caecilia im Garten saßen und
allesamt sehr ernste Gesichter machten. Tiro kam wenig später
hinzu und sah aus, als sei ihm das Ganze angemessen peinlich.
Cicero hat nichts gesagt. Niemand hat Verdacht
geschöpft.«
    »Natürlich
nicht. Sie glauben, sie wissen so viel und er, der er nur ein
Sklave ist, weiß so wenig. Du wärst überrascht, was
Sklaven so alles anstellen können, ohne erwischt zu
werden.«
    Eine Strähne
ihres Haares fiel auf meine Wange, und ich atmete den Duft von
Henna und Kräutern ein. »Wäre ich wirklich
überrascht, Bethesda?«
    »Nein. Du nicht.
Dich überrascht gar nichts.«
    »Weil ich von
Natur aus argwöhnisch bin. Den Göttern sei Dank
dafür.« Bast schnurrte laut an meinen Füßen.
Ich lehnte meine Schulter gegen Bethesdas Hüfte.
    »So
müde«, sagte sie sanft. »Soll ich dir etwas
Vorsingen?« »Ja, Bethesda, sing etwas Leises und
Beruhigendes. Sing etwas in einer Sprache, die ich nicht
verstehe.«
    Ihre Stimme war wie
ein stilles Wasser, rein und tief. Ich hatte das Lied nie zuvor
gehört, und obwohl ich kein Wort verstand, wußte ich,
daß es ein Wiegenlied sein mußte. Vielleicht war es ein
Lied, das ihre Mutter ihr vorgesungen hatte. Ich lag halb
träumend in ihrem Schoß, während Bilder grausamster
Gewalttaten harmlos vor meinem inneren Auge vorüberzogen. Die
Bilder waren ungewöhnlich lebhaft und gleichzeitig irgendwie
weit weg, als ob ich sie durch eine dicke Scheibe getönten
Glases sehen würde. Ich sah die betrunkenen Gladiatoren und
die Einbalsamierer und die Messerstecherei, die sich am Morgen auf
der Straße ereignet hatte. Und ich sah Tiros vor Erregung
gerötetes Gesicht. Ich sah einen alten Mann, der in
irgendeiner Gasse von Banditen überfallen wurde, die wieder
und wieder auf ihn einstachen. Ich sah einen nackten gefesselten
Mann, der ausgepeitscht, mit Exkrementen beworfen und mit Tieren in
einen Sack eingenäht wurde, um

Weitere Kostenlose Bücher