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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Frau
namens Polia.«
    »Polia?«
    »Ja. Sie wohnt
im ersten Stock, glaube ich.«
    »Polia«,
wiederholte er und kratzte sein Kinn.
    »Eine Witwe mit
einem Jungen. Der Sohn ist stumm.«
    Der Mann zuckte die
Schultern, eine Geste, die völlig übertrieben wirkte.
Gleichzeitig hielt er langsam seine rechte Hand auf.
    »Tiro«,
setzte ich an, aber Tiro war mir bereits zuvorgekommen. Er griff in
die Ledertasche über seiner Schulter, zog ein paar
Kupfermünzen hervor und zeigte sie mir. Ich nickte, machte ihm
jedoch ein Zeichen, er solle noch warten. Derweil baute der hagere
Riese sich vor uns auf und starrte mit unverhohlener Gier auf Tiros
Faust.
    »Es gibt also
eine Frau namens Polia, die auch noch hier wohnt?« fragte
ich.
    Der Mann schürzte
die Lippen und nickte dann. Ich neigte meinen Kopf zu Tiro, der ihm
ein As gab.
    »Und sie ist
jetzt auf ihrem Zimmer?«
    »Das weiß
ich nicht genau. Eine aus den oberen Etagen. Hat eine Kammer mit
Tür und allem Drum und Dran.«
    »Eine
verschlossene Tür?« - »Ach, ist nicht der Rede
wert.«
    »Dann werde ich
mich oben auf der Treppe wahrscheinlich mit einem weiteren
Wächter abgeben müssen, oder nicht? Vielleicht sollte ich
die übrigen Münzen für ihn aufbewahren.« Ich
wandte mich Richtung Treppe.
    Der Riese hielt mich
mit einem überraschend sanften Händedruck auf der
Schulter zurück. »Du würdest dein Geld nur
verschwenden. Er ist ein Nichtsnutz, trinkt schon nach dem
Aufstehen den ersten Wein. Wahrscheinlich schläft er gerade
mal wieder, bei der Hitze. Um ihn zu fragen, wo Polias Zimmer ist,
müßtest du ihn bloß aufwecken. Das kann ich dir
auch selbst zeigen, ihr müßt nur leise die Treppe
hochgehen.«
    Der Riese ging voran
und nahm locker zwei Stufen auf einmal, wobei er
übertriebenerweise auf Zehenspitzen ging und bei fast jedem
Schritt das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Wie er vorhergesagt
hatte, war der andere Wächter oben eingeschlafen. Es war ein
runder, kleiner Mann, der mit ausgestreckten Pummelbeinchen gegen
die Wand gelehnt saß, auf einem Knie ein Weinschlauch und
zwischen die Beine ein Tongefäß geklemmt. Der Riese
stieg behutsam über ihn hinweg und rümpfte die
Nase.
    Der schmale Flur war
von den beiden kleinen Fenstern an jedem Ende nur schwach
beleuchtet. Die Decke war so niedrig, daß unser Führer
sich unter den niedrigsten Balken ducken
mußte. 
    Wir folgten ihm bis zu
einer Tür etwa in der Mitte des Flures und warteten,
während er leise klopfte. Bei jedem Klopfen sah er sich
nervös in Richtung des schlafenden Wächters auf dem
Treppenabsatz um, und als Tiro einmal auf eine knarrende Diele
trat, bedeutete er ihm mit beiden Händen, ruhig zu sein. Ich
konnte nur annehmen, daß der kleine Säufer über
Vergeltungsmöglichkeiten verfügte, die einem Fremden
verborgen blieben.
    Nach einer Weile
öffnete sich die schmale Tür einen Finger breit.
»Oh, du«, sagte die Frau. »Ich hab dir doch schon
tausendmal gesagt, nein. Warum läßt du mich nicht
einfach in Ruhe? Es muß noch mindestens fünfzig andere
Frauen in diesem Haus geben.«
    Der Riese sah mich an
und wurde tatsächlich rot. »Ich bin nicht allein. Du
hast Besuch«, zischte er.
    »Besuch? Doch
nicht etwa meine Mutter?«
    »Nein. Ein Mann.
Und sein Sklave.«
    Ihr Atem stockte.
»Nicht die, die schon mal hier waren.«
    »Natürlich
nicht. Sie stehen hier direkt neben mir.«
    Die Tür ging ein
Stück weiter auf, so daß man jetzt das ganze Gesicht der
Witwe sehen konnte. In der Dunkelheit war außer zwei
verängstigten Augen jedoch nicht viel zu erkennen. »Wer
bist du?«
    Am Ende des Flures
rutschte der betrunkene Wächter unruhig hin und her, so
daß das Tongefäß zwischen seinen Beinen umfiel. Es
drehte sich und rollte auf die Stufen zu.
    »Beim
Herkules!« Der Riese keuchte und sprang dann auf Zehenspitzen
zu dem Treppenabsatz. Als er ihn eben erreicht hatte, kullerte das
Tongefäß über die Kante und begann mit lautem
Gepolter die Stufen hinunterzurollen.
    Der kleine
Wächter war auf der Stelle hellwach. »Was ist los?
Du!« Er rutschte nach vorn und kämpfte sich auf die
Füße. Der Riese eilte bereits die Treppen hinab, seinen
Kopf mit den Händen schützend, aber der Kleine war zu
schnell für ihn. Blitzschnell hatte er sich eine Latte gepackt
und drosch dem Riesen damit auf Schultern und Kopf, wobei er mit
lauter Stimme kreischte: »Hast du wieder Fremde auf meine
Etage gebracht! Mir meine Trinkgelder geklaut! Hab ich dich wieder
erwischt! Du nutzloser Haufen Scheiße!

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