Das Lächeln des Cicero
hat. Sie nutzt uns nichts
mehr.«
Ich hatte fast
erwartet, daß Tiro mich zur Rede stellen würde, aber das
war natürlich undenkbar. Er war ein Sklave, und ein sehr
junger dazu, und hatte deshalb nicht bemerkt, wie völlig
falsch ich die Frau behandelt hatte. Ich war mit ihr genauso
rüde umgegangen wie mit dem Ladenbesitzer oder dem
Wächter.
Vielleicht hätte
sie geredet, wenn es mir gelungen wäre, in ihr eine andere
Saite zum Klingen zu bringen als die der Angst. Ich ging mit
hastigen Schritten voran, ohne den Blutfleck zu beachten, und zu
wütend, um mich darum zu kümmern, wohin ich lief. Die
Sonne knallte mir vom Himmel wie ein Faustschlag in den Nacken. Ich
rannte geradewegs in den Jungen.
Wir machten beide
einen erschreckten Satz zurück, atemlos von dem
Zusammenstoß. Ich fluchte. Eco gab einen unterdrückten,
rauhen, kehligen Laut von sich.
Ich war so
geistesgegenwärtig, einen besorgten Blick auf seine Hände
zu werfen. Sie waren leer. Ich sah ihm einen Moment in die Augen
und trat dann zur Seite, um weiterzugehen. Er packte den Ärmel
meiner Tunika, schüttelte den Kopf und zeigte auf das
Fenster.
»Was willst du?
Wir haben deine Mutter in Ruhe gelassen. Du solltest jetzt besser
zu ihr gehen.«
Eco schüttelte
den Kopf und stampfte mit dem Fuß auf. Er machte uns ein
Zeichen zu warten und rannte nach drinnen.
»Was glaubst du,
was er will?« fragte Tiro.
»Ich bin mir
nicht sicher«, sagte ich, und noch während ich sprach,
ahnte ich die Wahrheit und verspürte ein kitzelndes
Gefühl der Angst.
Im nächsten
Augenblick tauchte der Junge wieder auf mit einem schwarzen Umhang
über dem Arm und einem Gegenstand, den er in einer Falte
seiner Tunika verbarg. Er zog seine Hand hervor, und die lange
Klinge glitzerte in der Sonne. Tiro stockte der Atem, und er packte
meinen Arm. Ich hielt ihn sanft zurück, weil ich wußte,
daß das Messer nicht für uns bestimmt war.
Der Junge kam langsam
auf mich zu. Sonst war niemand auf der Straße; um diese
Tageszeit war es zu heiß.
»Ich glaube, er
möchte uns etwas mitteilen«, sagte ich.
Eco nickte.
Ȇber jenen
Septemberabend.«
Er nickte erneut und
wies mit der Klinge auf den Blutfleck.
Ȇber den
Tod des alten Mannes auf der Straße. Der Mord passierte ein
oder zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit, hab ich
recht?«
Er nickte.
»Und wie
hätte man dann mehr als einen Schatten erkennen
sollen?«
Er wies auf die
Fackelnischen entlang der Straße und dann nach oben,
während seine Hände eine Kugel in der Luft
formten.
»Ah, ja, es war
an den Iden - der Mond stand ziemlich hoch und voll am
Himmel«, sagte ich. Er nickte.
»Wo sind die
Mörder hergekommen?«
Eco wies auf die
Sackgasse, die jetzt von der Tür des Lebensmittelladens
versperrt war.
»Genau wie ich
dachte. Und wie viele waren es?«
Er hielt drei Finger
hoch.
»Nur drei? Bist
du sicher?«
Er nickte heftig. Dann
begann die Pantomime.
Er rannte ein
Stück die Straße hinauf und stolzierte dann mit
wichtigtuerischem Blick auf uns zu. Er machte schnörkelige
Gesten in beide
Richtungen.
»Der alte Sextus
Roscius«, sagte ich. »Begleitet von seinen beiden
Sklaven zur Rechten und zur Linken.«
Der Junge klatschte in
die Hände und nickte. Er rannte zur Tür des Ladens,
klemmte seine Schulter dahinter und stieß sie zu. Durch das
Holz konnte ich die alte Frau hinter ihrem Tresen fluchen
hören. Der Junge warf sich den dunklen Umhang über die
Schulter und drängte sich, das lange Messer gezückt,
gegen die Wand der Sackgasse. Ich folgte ihm.
»Drei Angreifer,
sagst du. Und wer bist du jetzt, ihr
Anführer?«
Er nickte und machte
mir ein Zeichen, ich solle den Part des alten Sextus
übernehmen, der die mondbeschienene Straße
entlanggeschlendert kam.
»Los,
Tiro«, sagte ich, »du bist Felix oder Chrestus oder wer
immer zur Rechten seines Herrn stand, den Angreifern am
nächsten.«
»Hältst du
das für klug, Herr?«
»Sei still,
Tiro, und spiel mit.«
Wir gingen
nebeneinander durch die enge Straße. Aus der Sicht des Opfers
lauerte die schmale Sackgasse ohne jede Warnung; selbst in einer
Vollmondnacht mußte sie ein unsichtbares, schwarzes Loch
gewesen sein. Als ich daran vorbeikam, hielt ich den Blick stur
geradeaus gerichtet und nahm aus den Augenwinkeln nicht einmal das
leiseste Zucken einer Bewegung wahr, und dann war es auch schon zu
spät. Ohne jede Warnung war der stumme Junge auf einmal hinter
uns, packte Tiro bei der Schulter und schob ihn zur Seite. Das
Weitere Kostenlose Bücher