Das Lächeln des Cicero
nicht,
daß sie ihr großes Maul wieder
nicht...«
Hinter mir hörte
ich einen seltsamen, fast tierischen Laut. Ich drehte mich um und
bückte mich, als ich Ecos Messer auf mich zufliegen sah. Auch
die Reflexe des Alten waren erstaunlich schnell. Das Messer zischte
in Richtung eines offenen Fensters, traf jedoch statt dessen auf
zugeschlagene Läden. Die Klinge bohrte sich in das Holz, blieb
einen Moment lang stecken und fiel dann mit einem metallischen
Klirren auf das Pflaster. Ich wandte mich um und starrte Eco an,
überrascht von der Wucht, mit der der kleine Junge das Messer
geschleudert hatte. Er hatte das Gesicht in den Händen
vergraben und weinte.
»Die sind alle
verrückt hier«, flüsterte Tiro.
Ich packte Ecos
Handgelenk und riß ihm die Hände vom Gesicht. Er warf
den Kopf von der einen Seite zur anderen und wollte seine
Tränen verbergen. Er versuchte, sich loszureißen. Aber
ich hielt ihn fest.
»Die Männer
sind zurückgekommen«, sagte ich. »Sie sind wegen
dir gekommen. Könnte es sein, daß sie gesehen haben,
daß du sie in der Nacht des Mordes beobachtet
hast?«
Er schüttelte
heftig den Kopf.
»Nein. Dann
haben sie es von der alten Frau in dem Laden erfahren. Sie hat sie
zu dir geführt. Aber nach dem, was die Leute so erzählen,
hat deine Mutter den Mord gesehen. Hat sie das? Stand sie mit dir
am Fenster?«
Er schüttelte
erneut den Kopf. Er weinte.
»Dann warst du
der einzige, der es gesehen hat. Du und die Alte von
gegenüber. Aber die Frau war schlau genug, sich da
rauszuhalten und sie woandershin zu schicken. Du hast deiner Mutter
ein paar Einzelheiten berichtet, oder nicht? Genau wie uns? Und sie
fing an, sie weiterzuerzählen, als habe sie das Verbrechen
selbst beobachtet. Hab ich recht?«
Er zitterte und
schluchzte.
»Verflixt«,
flüsterte ich. »Verflixt. Also kamen sie zurück, um
sie zu suchen, nicht dich. Und sie haben sie in eurer Wohnung
gefunden. Warst du auch dort?«
Er brachte ein Nicken
zustande.
»Und was dann?
Drohungen, Bestechungen?« fragte ich und wußte schon,
daß es etwas viel Schlimmeres war.
Der Junge riß
sich los. Schluchzend und jammernd begann er sich links und rechts
ins Gesicht zu schlagen. Tiro drängte sich näher an mich
und sah entsetzt zu. Schließlich hörte der Junge auf. Er
stampfte mit dem Fuß auf und sah mich direkt an. Mit
zusammengebissenen Zähnen verzog er sein Gesicht zu einer
Maske des Hasses und hob beide Arme. Seine Hände bewegten sich
steif, wie gegen seinen Willen. Er machte eine obszöne Geste
und ballte seine Hände zu Fäusten, als ob sie im Feuer
verdorrt wären.
Sie hatten seine
Mutter vergewaltigt, die gar nichts gesehen hatte, die nichts von
dem Mord wissen konnte, wenn er es ihr nicht erzählt
hätte, deren einziges Verbrechen es gewesen war, ein
bißchen Klatsch aus zweiter Hand an eine alte Frau von
gegenüber weiterzugeben. Sie hatten sie vergewaltigt, und Eco
hatte es mit angesehen.
Ich blickte zu Tiro,
um mich zu vergewissern, daß er verstanden hatte. Er hatte
seine Hand auf den Mund gelegt und seinen Blick
abgewendet.
Plötzlich
stieß mich der Junge zur Seite und rannte los, das auf der
Straße liegende Messer aufzuheben. Er kam zurück, nahm
meine Hand und legte meine Finger um den Knauf. Bevor ich ihm Geld
geben oder auch nur eine tröstende oder verständnisvolle
Geste machen konnte, war er zurück in das Mietshaus gelaufen,
wobei er den hageren Wächter aus dem Weg schubste, der aus der
Tür trat, um frische Luft zu schnappen.
Ich betrachtete das
Messer in meiner Hand. Ich seufzte und schloß die Augen, mir
war auf einmal ganz schwindlig von der Hitze. »Für seine
Rache«, flüsterte ich. »Er glaubt, wir bringen
Gerechtigkeit, Tiro.«
11
Wir verbrachten die
Stunden der schlimmsten Nachmittagshitze in einer kleinen Taverne.
Ursprünglich hatte ich vorgehabt, mich gleich weiter auf die
Suche nach der Hure Elena zu machen - das Haus der Schwäne
konnte vom Tatort aus nur noch ein paar Schritte entfernt sein -,
aber mir fehlte der Mut. Statt dessen kehrten wir um und trotteten
zurück die schmale Straße hinunter bis zu dem offenen
Platz.
Er lag fast verlassen
da. Die Krämer hatten ihre Läden geschlossen. Die Hitze
war so stechend, daß selbst die fliegenden Händler mit
ihren Karren verschwunden waren. Nur ein paar Kinder und ein Hund
planschten weiter in den großen Pfützen um die
öffentliche Zisterne. Sie hatten den Eisendeckel des Brunnens
beiseite geschoben, und einer der Jungen
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