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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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vermutet hatte. Die
Straße verengte sich und bog, den Blick auf das hinter uns
liegende Stück Weges verdeckend, nach links ab. Unser Ziel lag
gleich rechts und war nicht zu verfehlen.
    Wie luxuriös
mußte es auf Männer mit bescheidenen Mitteln wirken, die
hergelockt von Mund-zu-Mund-Propaganda und geleitet von den Fackeln
und primitiven Schwan-Emblemen, die die Straße säumten,
nachts hier ankamen. Wie herrlich ordinär mußte es einem
Mann von gewisser Vornehmheit wie dem alten Sextus Roscius
erschienen sein, wie einladend für die fleischlichen
Gelüste, von denen er besessen war.
    Die Fassade hob sich
deutlich von allen anderen in der Straße ab. Die Gebäude
in der Nachbarschaft waren verputzt und in blassen Schattierungen
von Safran, Rost oder fleckigem Weiß getüncht. Die
verputzte Fassade des Hauses der Schwäne war von einem
leuchtenden, schrillen Rosa, hier und da, wie etwa um die
Giebeldreiecke über den Fenstern, mit roten Kacheln
verschönert. Eine halbkreisförmige Säulenhalle ragte
auf die Straße. Auf der Spitze der Halbkuppel thronte eine
Venusstatue, die für den zur Verfügung stehenden Platz
viel zu klein war; die bildhauerischen Bemühungen waren
wahrhaft schmerzlich anzusehen, ja beinahe blasphemisch zu nennen.
Selbst Tiro kicherte, als er sie entdeckte. Von der Kuppel der
Säulenhalle hing eine Lampe, die man wohlwollend als
schiffsförmig bezeichnen konnte, obwohl ich wegen der leichten
Krümmung und der abgeflachten Spitze des Objekts
argwöhnte, daß es ein menschliches Anhängsel
darstellen sollte, das auf obszöne Weise zu groß geraten
war. In wie vielen Nächten war Sextus Roscius ihrem Schein wie
einem Leuchtfeuer gefolgt, drei Marmorstufen hinauf zu dem
schwarzen Rost, auf dem ich jetzt mit Tiro stand und schamlos im
hellen Tageslicht an die Tür klopfte?
    Ein Sklave
öffnete die Tür, ein großer, muskulöser junger
Mann, der eher den Eindruck eines Leibwächters oder Gladiators
als den eines Türstehers machte. Er hatte ekelhaft
unterwürfige Manieren. Er hörte gar nicht auf zu
lächeln, sich zu verbeugen und zu nicken, während er uns
zu einem flachen Diwan in dem plüschig eingerichteten Vorraum
führte. Wir mußten nicht lange auf den Eigentümer
warten.
    Mein Gastgeber war
eine in jeder Beziehung rundliche Erscheinung, vom Bauch bis zur
Nase und der kahlen Krone seines Hauptes. Das wenige verbliebene
Haar war sorgfältig geölt und frisiert worden. Seine
Wangen waren auf groteske Weise gepudert und mit Rouge
überzogen. Seine Vorliebe für Schmuck schien von
derselben Vulgarität wie sein Geschmack in allen Fragen der
Inneneinrichtung. Alles in allem bot er den Anblick eines
heruntergekommenen Epikureers, und seine Bemühungen, die
Atmosphäre eines levantinischen Bordells nachzuempfinden,
grenzten ans Parodistische. Der Versuch der Römer, den Orient
nachzuahmen, gelingt selten. Eleganz und echter Luxus sind nicht so
leicht zu kopieren oder zu Großhandelspreisen zu
kaufen.
    »Bürger«, sagte
er, »du kommst zu einer ungewöhnlichen Tageszeit. Die
meisten unserer Kunden treffen eher gegen Sonnenuntergang ein. Aber
umso besser für dich - so hast du die Auswahl aller
Mädchen, ohne warten zu müssen. Die meisten von ihnen
schlafen noch, aber ich werde sie für dich gerne aus ihren
Betten scheuchen. So gefallen sie mir selbst auch am besten, eben
erwacht und noch vom Duft des Schlafes umfangen wie feuchte Rosen
vom Morgentau.«
    »Eigentlich
komme ich wegen eines ganz bestimmten
Mädchens.«
    »Ja?«
    »Sie ist mir
empfohlen worden. Ein Mädchen namens Elena.«
    Der Mann stierte mich
mit leerem Blick an und nahm sich für seine Antwort Zeit. Als
er schließlich sprach, konnte ich keine Arglist ausmachen,
sondern lediglich die ehrliche Vergeßlichkeit eines Mannes,
der im Laufe der Jahre so viele Körper ge- und verkauft hatte,
daß man nicht erwarten konnte, daß er sich an sie
erinnerte. »Elena«, sagte er, als ob es sich dabei um
ein Fremdwort handeln würde, dessen Bedeutung ihm entfallen
war. »Und ist sie dir kürzlich empfohlen worden,
Herr?«
    »Ja. Es ist
allerdings schon eine Weile her, daß mein Freund sie zuletzt
besucht hat. Er weilt zur Zeit nicht in Rom, sondern ist mit der
Verwaltung seiner Landgüter beschäftigt.
Geschäftliche Angelegenheiten halten ihn davon ab, in die
Stadt zu kommen, aber er schreibt voll angenehmer Erinnerung von
dieser Elena. Er sagt, er wäre froh, auf dem Land eine Frau zu
finden, deren Liebkosungen ihm nur einen Bruchteil

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